Lesen unter Hitler: Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich (German Edition) by Christian Adam
Autor:Christian Adam [Adam, Christian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2014-10-15T04:00:00+00:00
Ludwig Ganghofer war einer der Altmeister der Unterhaltungsliteratur, dessen Bücher im Kaiserreich, der Weimarer Republik und durchgängig bis in die fünfziger Jahre hinein großen Zuspruch fanden. Hier eine Verlagsanzeige aus dem Jahr 1934.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die radikalen Kulturkämpfer aus Rosenbergs Umfeld – den ›Endsieg‹ und auch ihren eigenen kulturpolitischen Sieg vorausgesetzt – einen Ganghofer früher oder später aus ihrem Literaturkanon ausgesondert hätten. Schon beizeiten wurden von Rosenbergs Mannen scharfe Töne angeschlagen, galt es doch nicht mehr oder weniger als die »literarische Halbwelt« zu bekämpfen. Die »Leser von literarischem Kitsch«, so schrieb Werner Bökenkamp in der Bücherkunde, seien in allen »Volksschichten zu finden«. Zwar hatte der Autor vor allem die Romanzeitschriften im Blick, vieles traf aber auch die Unterhaltungsliteratur in ihrer Breite: »Die Personen liegen wie Schablonen bereit […] Der hochstaplerische Graf Babbiani oder der edle deutsche Ingenieur […] Eine Welt der Illusionen, des Glückshungers, der Schablone und der ständigen Wiederholung rollt vor uns ab. Nach 1933 wurden im Zuge des Rassegedankens die Helden blond und nordisch und die Betrüger düster und schwarz; man verließ zum Teil die Bars und setzte die Personen in eine Dorfschenke; es roch nicht mehr nach Pariser Parfüms, sondern nach Mist, und der Generaldirektor begann sich so volksverbunden zu benehmen, daß er seine Sekretärin heiratete. Was will man eigentlich mehr?
Die Blubo-Welle ist dann schnell wieder verebbt, und das bürgerliche Milieu behauptete weiterhin das Feld, so weit gereinigt, daß es sich mit den Schrifttumsgesetzen gerade noch verträgt.«463
Es war ein offener Angriff auch auf Goebbels und sein Propagandaministerium, den Rosenberg von seinen Leuten vortragen ließ. Goebbels hatte im Jahr zuvor auf der Kantate-Tagung, der großen alljährlichen Kundgebung des deutschen Buchhandels, einer Art Branchentreff, eine für seine Position zur Unterhaltungsliteratur maßgebliche Rede gehalten. Sein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit unterhaltenden Schrifttums – »je mehr ein Volk von den Sorgen des Alltags angefressen wird, um so mehr hat es Anspruch auf Entspannung und Erholung« – akzentuierte er mit dem Slogan »Kraft durch Freude«464 . Der Rosenberg-Mann Bökenkamp paraphrasierte Goebbels, als er die Argumente der Verteidiger des Kitsches aufzählte, und schreibt: »Wir helfen den armen Volksgenossen mit unserer Literatur für einige Zeit über die Sorgen und die Freudlosigkeit des Alltags hinweg und versetzen ihn in eine schönere Welt«, um dann noch ein hämisches »Kraft durch Freude!«465 nachzuschieben. Eigentlich ein Affront gegen den ›Doktor‹. Und der Autor machte klar, dass nicht nur er die Position Goebbels’ zu weich und nachsichtig fand, sondern dass jener das Problem des Kitsches nicht richtig erkannt habe: »Wir sind der Meinung, daß dieses Übel radikaler und unbarmherziger angefaßt werden muß, als es bisher geschehen ist. Wir sehen hierin eine Gefahr für den Geist des Volkes, die in friedlichen Zeiten unter dem Schein des Harmlosen geduldet wird, in entscheidenden Stunden aber verhängnisvoll werden kann.«466
Dass sich die publizistische Auseinandersetzung zwischen dem Goebbels- und dem Rosenberg-Lager im Krieg noch zuspitzen sollte, lässt sich hier schon erahnen. Im konkreten Fall Ganghofer aber gab der Erfolg dem Autor bis 1945 – und letztlich sogar darüber hinaus – recht. Schon in den dreißiger Jahren waren viele Ganghofer-Bücher verfilmt worden.
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