Lehane Dennis by Streng Vertraulich

Lehane Dennis by Streng Vertraulich

Autor:Streng Vertraulich [Vertraulich, Streng]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-05-07T16:58:12+00:00


26_____

Wir konnten nicht nach Hause gehen. Devin hatte recht. Ich hatte kein As mehr im Ärmel, und Socia hatte nichts mehr zu verlieren, solange ich noch atmete.

Wir hingen noch ungefähr zwei Stunden lang herum, während die beiden den ganzen Papierkram erledigten. Dann brachten sie uns durch den Seiteneingang nach draußen und fuhren uns ein paar Häuserblocks weiter ins Lenox Hotel.

Als wir aus dem Auto stiegen, sah Oscar zu Devin hinüber. »Los, gib dir einen Ruck und sag’s ihnen.«

Wir standen wartend an der Bordsteinkante.

Devin sagte: »Rogowski hat ein gebrochenes Schlüsselbein und eine Unmenge Blut verloren, aber sein Zustand ist stabil.«

Angie sackte für einen Augenblick gegen mich.

Devin verabschiedete sich: »Ein großes Vergnügen, euch kennengelernt zu haben«, und fuhr weg.

Die Leute vom Lenox schienen sich nicht gerade zu freuen, daß wir uns um acht Uhr morgens für ihr Hotel entschieden hatten, ohne Gepäck. Paßenderweise sahen unsere Klamotten aus, als hätten wir die Nacht auf einer Bank verbracht, und ich hatte von der Schießerei am Bahnhof noch Marmorsplitter in den Haaren. Ich reichte ihnen meine Visa Gold, doch verlangten sie, daß ich mich zusätzlich auswies. Während der Concierge die Nummer meines Führerscheins auf einem Blatt Papier notierte, rief die Empfangsdame bei Visa an, um sich dort meine Nummer bestätigen zu lassen. Manche Menschen sind mit nichts zufrieden.

Nachdem sichergestellt worden war, daß ich der war, der ich zu sein vorgab, und daß wir wohl nicht viel mehr mitgehen lassen würden als ein Handtuch und ein paar Bettlaken, wurde uns der Zimmerschlüssel ausgehändigt. Ich unterschrieb und blickte der Empfangsdame ins Gesicht. »Ist der Fernseher in der Wand verankert, oder können wir den einfach so mitnehmen?«

Sie schenkte mir ein verkniffenes Lächeln, antwortete aber nicht.

Das Zimmer war im achten Stock, man konnte von dort auf die Boylston Street heruntersehen. Keine schlechte Aussicht. Direkt unter uns war nicht viel - ein Store 24, ein Dunkin’ Donuts -, aber dahinter zog sich eine Häuserreihe aus rötlichbraunem Sandstein entlang, einige der Häuser hatten mintgrüne Dachgärten, und dahinter hob sich der träge dahinfließende dunkle Charles vom blaßgrauen Himmel ab.

Die Sonne stieg immer höher. Ich war todmüde, doch mehr noch als Schlaf brauchte ich eine Dusche. Leider war Angie schneller als ich. Ich setzte mich hin und machte den Fernseher an. Der natürlich in der Wand verankert war. In den Frühnachrichten gab es einen Kommentar über den gestrigen Gewaltausbruch von Streetgangs in South Station. Der Kommentator, ein breitschultriger Mann mit einem Stoppelschnitt, bei dem man nicht viel mehr als die Haarwurzeln übriggelassen hatte, zitterte fast vor selbstgerechter Wut. Die Gewalt, so sagte er, sei jetzt vor unserer Haustür angekommen, und es sei höchste Zeit, daß etwas dagegen unternommen würde, egal was.

Wir begreifen so etwas immer erst als Problem, wenn es bis zu unserer Haustür vordringt. Solange es sich jahrzehntelang auf unseren Hinterhof beschränkt, bekommt es überhaupt keiner mit.

Ich schaltete die Kiste wieder aus und löste Angie ab, die aus dem Badezimmer kam.

Als ich mit dem Duschen fertig war, schlief sie schon. Sie lag auf dem Bauch, eine Hand auf dem Telefon, als hätte sie gerade aufgelegt, die andere um das Badehandtuch geschlossen.



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