Lebensgeister by Banana Yoshimoto

Lebensgeister by Banana Yoshimoto

Autor:Banana Yoshimoto [Yoshimoto, Banana]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783257607765
Herausgeber: Diogenes Verlag


*

»Was für ein Lärm! Da kann man doch nicht schlafen!«

Meine eigene Stimme riss mich aus dem unruhigen Schlaf.

Niemand schien auf mich zu hören. Der Rabatz im Haus ließ kein bisschen nach. Ein {94}Durcheinander von Stimmen und Geräuschen wie an einem verregneten Sonntagnachmittag, wenn alle drinnen bleiben und ihre Freunde zusammentrommeln, um sich zu amüsieren.

»Mist!«, flüsterte ich.

Hier musste eine Art Durchschlupf sein in die andere Welt. Wohl deswegen strich auch diese Mutter hier herum. Anders konnte ich mir den Krach nicht erklären.

»Hast du was gesagt?«, tönte es aus dem Nachbarzimmer. Es war Ataru.

»So laut hier! Ich kann nicht schlafen«, antwortete ich.

»Man gewöhnt sich dran«, sagte Ataru, als wäre nichts dabei.

Ich öf‌fnete die Tür.

»Unmöglich, das kann nichts Gutes bedeuten. Wo bin ich denn hier … In einem Gespensternest?!«

Kaum hatten wir angefangen zu reden, verstummten die Stimmen und Geräusche. Genau wie bei Kakerlaken oder Mäusen.

»Ich sage nicht: Ist doch schön, wenn Mutter noch ein bisschen herumgeistern und vom Leben träumen möchte … Aber weißt du, dieses Haus wird bald abgerissen. So lange sollten wir sie machen lassen. Wer bestimmt denn, wann es Zeit ist {95}zu gehen? Warum denken alle, je schneller, desto besser? Für das Zeitgefühl da oben ist zwischen einem Jahr oder zehn Jahren kein großer Unterschied.«

»Du hast wohl recht.« Ich verstand nur zu gut, was er meinte. Die Hinterbliebenen mochten sich zwar wünschen, dass ein Verstorbener bald ins Paradies eingeht oder noch eine Weile in der Nähe bleibt. In Wahrheit aber war es eine viel größere Kraft, die über den Kreislauf von Leben und Tod bestimmte.

»Na gut, ich versuche, mich daran zu gewöhnen. Da ich nun schon hier eingezogen bin«, meinte ich.

»Dann gute Nacht!«, sagte Ataru.

Als ich die Tür schloss und mich ins Bett legte, begann es wieder zu rumoren. Nicht, dass ich Angst gehabt hätte; vielmehr machte ich mir Sorgen um meinen eigenen Geisteszustand und fragte mich, ob ich nicht vielleicht einen Sprung in der Schüssel hatte. Und dazu noch mit einem verrückten Kerl in einem verrückten Haus wohnte. Aber seltsam: Meine Verstörung fühlte sich irgendwie normal an. Ich hatte keine Angst. Wird schon werden, sagte ich mir. Geh, so weit du gehen kannst. Du lebst, dein Herz schlägt, du atmest … Schon lange hatte ich das körperliche {96}Dasein nicht mehr so elementar wahrgenommen wie in dieser Nacht.



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