Lebensansichten des Katers Murr by E. T. A. Hoffmann

Lebensansichten des Katers Murr by E. T. A. Hoffmann

Autor:E. T. A. Hoffmann [Hoffmann, E. T. A.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 1962-12-31T23:00:00+00:00


4 Der Kater meint Shakespeares »Wie es euch gefällt«, dritter Aufzug, zweite Szene. A. d. H.

Zweiter Band

Dritter Abschnitt

Vierter Abschnitt

Nachschrift des Herausgebers

Dritter Abschnitt

[369] Die Lehrmonate

Launisches Spiel des Zufalls

(M. f. f.) Sehnsucht, heißes Verlangen erfüllt die Brust, aber hat man endlich das gewonnen, nach dem man rang mit tausend Not und Sorgen, so erstarrt jenes Verlangen alsbald zur todkalten Gleichgültigkeit, und man wirft das errungene Gut von sich wie ein abgenutztes Spielzeug. Und kaum ist dies geschehen, so folgt bittre Reue der raschen Tat, man ringt aufs neue, und das Leben eilt dahin in Verlangen und Abscheu. – So ist einmal der Katz. – Richtig bezeichnet dieser Ausdruck mein Geschlecht, zu dem sich auch der hochmütige Löwe zählt, den deshalb auch der berühmte Hornvilla in Tiecks »Oktavian« einen großen Katz nennt. – Ja, wiederhole ich, so und nicht anders ist einmal der Katz, und das katzliche Herz ein ganz wankelmütiges Ding.

Des ehrlichen Biographen erste Pflicht ist, aufrichtig zu sein und sich beileibe nicht selbst zu schonen. Ganz aufrichtig, Pfote aufs Herz, will ich daher gestehen, daß trotz des unsäglichen Eifers, mit dem ich mich auf die Künste und Wissenschaften legte, doch oft der Gedanke an die schöne Miesmies plötzlich in mir aufstieg und mein Studium unterbrach ganz und gar.

Es war mir, als hätte ich sie nicht lassen sollen, als hätte ich ein treuliebendes Herz verschmäht, das nur von einem falschen Wahn augenblicklich verblendet. Ach! oft, wenn ich mich an dem großen Pythagoras erlaben wollte (ich studierte zu der Zeit viel Mathematik), verschob[369] plötzlich ein zartes schwarzbestrumpftes Pfötchen alle Katheten und Hypotenusen, und vor mir stand sie selbst, die holde Miesmies, ihr kleines allerliebstes Samtkäppchen auf dem Haupt, und aus dem anmutigen Grasgrün der schönsten Augen traf mich der funkelnde Blick des zärtlichsten Vorwurfs. – Welche niedliche Seitensprünge, welches holdselige Wirbeln und Schlängeln des Schweifs! – Umpfoten wollt’ ich sie mit Entzücken neu entflammter Liebe, doch verschwunden war die neckende Truggestalt. –

Nicht fehlen konnt’ es, daß dergleichen Träumereien aus dem Arkadien der Liebe mich in eine gewisse Schwermut versenkten, die der gewählten Laufbahn als Dichter und Gelehrter schädlich werden mußte, zumal sie bald in eine Trägheit ausartete, der ich nicht zu widerstehen vermochte. Mit Gewalt wollte ich mich herausreißen aus diesem verdrießlichen Zustande, einen raschen Entschluß fassen, Miesmies wieder aufzusuchen. Doch, hatte ich schon die Pfote auf die erste Treppenstufe gesetzt, um hinaufzusteigen in die obern Regionen, wo ich die Holde zu finden hoffen durfte, so wandelte mich Scham und Scheu an, und ich zog die Pfote wieder zurück und begab mich traurig unter den Ofen.

Dieser psychischen Bedrängnisse unerachtet, erfreute ich mich indessen doch eines außerordentlichen körperlichen Wohlseins, ich nahm merklich zu, wo nicht in Wissenschaften, so doch in der Stärke meines Leibes und bemerkte, wenn ich mich im Spiegel anschaute, mit Vergnügen, daß mein rundbackiges Antlitz nächst der jugendlichen Frische etwas Ehrfurchtgebietendes zu erhalten begann.

Selbst der Meister gewahrte meine veränderte Stimmung. Es ist wahr, sonst knurrte ich und machte lustige Sprünge, wenn er mir schmackhafte Speisung reichte, sonst wälzte ich mich zu



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