Lavendelbitter by Elinor Bicks
Autor:Elinor Bicks [Bicks, Elinor]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2015-03-30T16:00:00+00:00
Unkraut
»Wenn Sie nichts dagegen haben, gehen wir hinten hinaus, durch den Garten«, sagte Otto beim Abschied. Die Dame hatte nichts dagegen und so bahnten sich Otto und Brenneisen den Weg durch wucherndes Gestrüpp. Ganz am Ende des Gartens blühte etwas fliederhaft Duftendes.
»Sehen Sie mal!«, rief Brenneisen. Er pflückte einen der Zweige, zerrieb die Blüten zwischen den Fingern und hielt diese Otto unter die Nase.
»Riecht wie der Wein«, sagte er, nachdem er widerwillig geschnuppert hatte.
Brenneisen nickte. »Das ist der berüchtigte Lavendel. Sie hätten das Zeug nicht trinken sollen.«
Otto winkte ab. »Von Lavendel stirbt man nicht. Haben Sie doch selbst gesagt.«
»Wer weiß, was noch alles drin war. In Kalbsleberwurst ist auch alles andere drin außer Kalbsleber.« Nachdem er selbst noch einmal an seinen Fingerspitzen geschnuppert hatte, fuhr er fort: »Vielleicht wirkt das Zeug betäubend. Sie hat Kalinn damit unschädlich gemacht und dann erstickt.«
»Noch bin ich hellwach«, entgegnete Otto, schritt an Brenneisen vorbei, öffnete das Gatter und betrat den Grasweg, der unterhalb des Gartens entlangführte. »Hier soll also der Touristen-Wanderweg entlangführen?«
Brenneisen bejahte. »Und wie ich den Landrat verstanden habe, soll hier drüben die Raststation hin.« Otto beschirmte die Augen mit der Hand und schaute das Grundstück hinauf. Weit oben thronte die Burg wie ein gewaltiger Wall. Vom Häuschen war allerdings nichts zu sehen. »Eigentlich weit genug entfernt, um da oben niemanden zu stören«, murmelte er.
Otto und Brenneisen näherten sich dem benachbarten Grundstück, auf dem ein gewaltiger, mit einem gemusterten Kittel bedeckter Hintern rhythmisch wippte. Die Trägerin des Kittels jätete ein Blumenbeet. Von den Ankömmlingen ließ sie sich nicht stören, auch wenn der veränderte Rhythmus darauf hindeutete, dass sie die beiden sehr wohl bemerkt hatte.
»Entschuldigen Sie!«, rief Otto in Richtung des Hinterns und zog seine Dienstmarke heraus. Die Frau richtete sich zu einer breiten Gestalt auf. »Darf ich?«, fragte Otto und tippte an die Gartenpforte. Als sie nickte, traten die beiden in den Garten. Der Rasen war perfekt gepflegt und lud geradezu ein, von umherfliegendem Unkrautsamen kontaminiert zu werden.
»Wir hätten ein paar Fragen an Sie.« Die Frau stellte die Hacke vor sich und stützte sich mit beiden Händen darauf. Sie wirkte abgekämpft, und Otto fragte sich, wie lange sie nicht geduscht hatte.
»Wie gut kennen Sie Frau Kukuk, Ihre Nachbarin?«
Die Alte stülpte die Lippen nach vorn. »Mehr, als mir lieb ist.« Mit flatternden Lidern musterte sie ihn.
»Geht das auch etwas genauer?«, fragte Otto.
Die Frau nahm die Hacke in eine Hand und hieb damit auf den Boden.
»Die ist hier net gern gesehen.«
Otto lebte bereits lange genug in Hessen, um zu wissen, dass ›net‹ in diesen Breitengraden nicht nett bedeutete, sondern ›nicht‹. »Hier is net net nett«, pflegte der Hesse zu sagen. Und das auch noch lustig zu finden.
»Erzählen Sie uns, warum Frau Kukuk hier so unbeliebt ist?«
Die Alte kniff die Augen noch enger zusammen. »Die verhindert unseren Wohlstand.«
Otto und Brenneisen tauschten einen Blick. »Könnten Sie etwas deutlicher werden?« Otto erfuhr nun bereits zum dritten Mal von den Plänen der Gemeinde. Die Gegend sollte zum Touristenmagneten werden, die Kukuk stand diesen Plänen im Weg. Das reinste Bauerntheater, dachte Otto und unterdrückte ein Grinsen.
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