Lauren Destefano - Die Chroniken der Fallenden Stadt Band 2 - Fallende Stadt by Lauren Destefano

Autor:Lauren Destefano [Lauren Destefano]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: cbt
veröffentlicht: 2018-02-26T23:00:00+00:00

Der Tod ist das Ende mancher Dinge. Aber nicht von allem.

»Unfassbare Götter«, Daphne Leander, zehnter Jahrgang

Auf dem Weg zur Akademie am nächsten Morgen scheint Pen die Augen nicht offen halten zu können. Allerdings versucht sie es auch nicht. Sie hat den Kopf auf meine Schulter gelegt, ihre Augen sind geschlossen.

Der Zug ist so voll, dass Thomas und Basil gezwungen waren, sich anderswo einen Sitz zu suchen.

»Ist es mit Thomas so spät geworden?«, frage ich.

»Du musst deswegen nicht so hoffnungsvoll klingen«, antwortet sie.

»Es ist einfach nur schön zu sehen, dass ihr euch versteht.«

»Ich glaube, ich könnte mich an ihn gewöhnen.« Es folgt ein Seufzen. »Aber wir waren nicht lange weg. Als ich wieder zu Hause war, habe ich an meiner Farbmalerei gearbeitet. Die Kunstausbilderin war stinkwütend, als ihr klar geworden ist, dass ich mein Porträt der Glasländer zerstört habe.«

»Das hättest du auch nicht tun sollen.«

Sie setzt sich auf und blinzelt träge. »Künstlerische Freiheit.« Sie gähnt. »Das verstehst du nicht.«

»Ein talentloser Bauer wie ich bestimmt nicht.«

Sie tätschelt mir die Wange. »Wir alle haben unsere Fähigkeiten. Ich kann Stillleben malen und Tonikumflecken aus den Möbeln entfernen. Und du bist eine professionelle Diplomatin.«

»Bin ich das?«

»Bis zum Gehtnichtmehr«, meint sie. »Zum Beispiel bist du immer nett zu deinem Bruder, obwohl er es von Anfang an auf dich abgesehen hat. Die meisten kleinen Geschwister sind Scheusale. Ich bin so froh, dass sich meine Eltern nach meiner Geburt nie wieder in die Schlange eingereiht haben.«

Der Zug wird langsamer. »Wenn ich so eine Diplomatin bin, warum bin ich dann nicht beliebt?«

»Aber das bist du doch, jedenfalls bei denen, auf die es ankommt.«

Während sie ihre Tasche auf der Schulter richtet und aufsteht, fällt das Licht auf ihr Gesicht, und ich kann das Puder um ihre Augen sehen. Sie trägt nie Schminke, es sei denn, sie will etwas verbergen. Wenn sie beispielsweise geweint hat. Sie zu fragen, wäre sinnlos; sie würde nur ihren eigenen Rat befolgen und lügen.

»Du hast sowieso keine Geschwister gebraucht«, sage ich. »Du hattest immer mich.«

»Ja.« Sie hakt sich bei mir unter und führt mich den Mittelgang entlang. »Nach so vielen Jahren sind wir aneinander gebunden. Wir sind wie eine Doppelgeburt.«

Bei einer Doppelgeburt werden zwei Kinder zur selben Zeit aus derselben Gebärmutter geboren und manchmal sind sie identisch. Über so ein Paar steht sogar eine Geschichte im Geschichtsbuch. Ihre Namen waren Odette und Olive. Zwar hatten sie dasselbe Gesicht, dabei hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Odette war mit ihrem Leben zufrieden, während Olive ruhelos und sogar unglücklich war. Sie verführte Odettes Verlobten, indem sie sich für ihre Schwester ausgab; sie ging so darin auf, ihre Schwester zu sein, dass sie Odette ertränkte und ihre Identität übernahm. Jahre vergingen, und Olive, die vorgab Odette zu sein, heiratete den Verlobten ihrer Schwester und bekam zahlreiche Kinder, die aber alles Totgeburten waren. Davon überzeugt, vom Gott des Himmels bestraft zu werden, und von Trauer in den Wahnsinn getrieben, gestand Olive schließlich ihre Taten.

Danach wurden Doppelgeburten verboten. Falls zwei aus derselben Gebärmutter geboren wurden, durfte das erste Kind leben, während das zweite ertränkt wurde, bevor es den ersten Schrei ausstoßen konnte.

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