Lanier, Jaron by Wem gehoert die Zukunft
Autor:Wem gehoert die Zukunft
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Teil 6
Demokratie
Kapitel 16
Empörung allein reicht nicht
Regierungen lernen die Tricks der Sirenenserver
In der digitalen Politik ist eine bestimmte Revolutionslegende weit verbreitet. Dabei wird in der Regel die Schnelligkeit und Raffinesse, aber auch der Aspekt der Inklusivität der sozialen Prozesse im Netz dem schwerfälligen, »exklusiven« Club altmodischer Machthaber in Regierungen oder Konzernen kontrastierend gegenübergestellt. Die Legende vereint die Aktivisten des Arabischen Frühlings mit den chinesischen und iranischen Online-Dissidenten, mit Twitterern in den USA und den Mitgliedern der Piratenparteien in Europa, neureichen Hightech-Milliardären und den von WikiLeaks generierten »Volkshelden«.
Dabei übersieht diese spezielle Vorstellung von einer Revolution, wie Macht zwischen Menschen wirklich funktioniert. Sie schert sich nicht um ökonomische Fragen und sieht allein in der Politik den Feind, den es zu bekämpfen gilt.
Mit unserer digitalen Revolution setzen wir womöglich ein altes, nicht mehr funktionierendes Machtzentrum ab, aber nur um ein neues zu errichten, das genauso wenig funktioniert. Das liegt daran, dass die Online-Opposition gegenüber der traditionellen Macht dazu neigt, neue Sirenenserver zu fördern, die langfristig betrachtet aber um keinen Deut besser sind.
AuÃerdem ist es dumm, zu denken, dass nur die eine Seite von einer Technologie profitieren wird. SchlieÃlich sind die traditionellen Machtstrukturen während des Aufstiegs der digitalen Netzwerke nicht in eine Art Schockstarre verfallen. Nein, die alten Machtformen haben sich still und heimlich selbst in hocheffektive moderne Sirenenserver verwandelt.
Ein moderner, digital vernetzter nationaler Geheimdienst wie der CIA/NSA/NRO-Komplex in den USA ist dafür das beste Beispiel. Ein Besuch bei einer dieser Organisationen erinnert an einen Besuch im Googleplex, dem Unternehmenssitz von Google, oder in einem groÃen Hightech-Finanzunternehmen. Dort tummeln sich die gleichen fröhlichen Absolventen der besten Hochschulen in einem luftigen Gebäude mit viel Glas und hervorragendem Kaffee. Mittlerweile florieren Spionage-Sirenenserver in allen Ländern.
Auch in anderer Hinsicht bilden sich Staaten verstärkt zu Sirenenservern um. China, Iran und in unterschiedlichem MaÃe alle anderen Länder wollen den digitalen Informationsfluss beherrschen und kontrollieren. Es läuft nach dem bekannten Muster ab: Das Entwicklungsland X blockiert bestimmte Websites oder filtert manche Begriffe im Internet heraus, aber mutige Bürger und standhafte Silicon-Valley-Firmen finden Schleichwege, um diese Barrieren zu umgehen. Oder: Das reiche Land Y spioniert mit der Begründung, Terroristen zu jagen, seine Bürger im Internet aus, obwohl es doch eine Demokratie ist.
Gegen die Regulierungswut staatlicher Behörden lässt sich leicht eine Koalition schmieden, weil Kämpfer für die Demokratie und Netzwerkunternehmer den Staat gleichermaÃen hassen. Bislang wurde die Staatsmacht durch solche Koalitionen zwar einige Male auf die Probe gestellt, vor allem im Arabischen Frühling, doch andernorts war es nicht so einfach, etwas zu bewirken. Ich vermute, dass die Wirkung der digitalen Netzwerke im Arabischen Frühling darauf zurückzuführen war, dass sie noch so neu waren.[61] Wenn sich Regierungen auf das Spiel der Sirenenserver einlassen, sind sie ziemlich schnell richtig gut. (Anscheinend sind Regierungen besser darin, den Cyber-Organisationen der Bürger zuvorzukommen als den Netzaktivitäten der Wirtschaft, die die Regulierungsbehörden ständig austrickst.)
Langfristig betrachtet befürchte ich, dass die Bemühungen der Online-Aktivisten zur Unterstützung der Demokratie genau in dem Moment nach hinten losgehen, in dem sie scheinbar Erfolg haben. Sich gegen einen bestimmten Sirenenserver zur Wehr zu setzen ist
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