Land in Sicht by Steffan Kristina

Land in Sicht by Steffan Kristina

Autor:Steffan, Kristina [Steffan, Kristina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Diana
veröffentlicht: 2014-05-11T23:00:00+00:00


Kapitel 17

Die kommenden Tage verbringen wir mit den Tapeten. Erik hilft uns, und das jeden Tag, über eine Woche lang. Innerhalb kürzester Zeit bilden wir ein eingeschweißtes Tapeten-Abriss-Team. Man könnte uns buchen, so gut sind wir im Training. Lea weicht die Tapeten ein, während Erik und ich die Wände mit den Spachteln einschlitzen. Dann bilden wir eine Arbeitsablauf-Kette. Lea macht das Grobe, Erik arbeitet nach und kümmert sich um die verbliebenen, sehr anhänglichen Tapetenreste. Außerdem kümmert Erik sich um alles, was sich außerhalb unserer Reichweite befindet. Weil ja auch Lea nur knapp so groß ist wie ein Zwerg. Ich mache die Feinarbeit und kratze mithilfe eines extrem scharfen Hochleistungsspachtels die kleinen Fitzelreste von der Wand.

Manchmal kommt Hildegard uns besuchen und versorgt uns mit Süßigkeiten oder Dorfklatsch, aber die meiste Zeit unterhalten wir drei uns oder hören Musik.

Das ist richtig nett. Sogar Lea gefällt es, und sie war in den letzten Tagen nicht einmal dagegen. Sie ist sogar hin und wieder richtig freundlich zu Erik. Manchmal sogar zu mir, aber das sicherlich nur aus Versehen. Und sie bringt jeden Tag frische Brötchen mit, was ich wiederum richtig nett finde.

Aber nicht nur Lea passieren merkwürdige Dinge. Ob es auch bei ihr mit Eriks Anwesenheit zusammenhängt? Bei mir ist diese Vermutung leider naheliegend. Ich werde manchmal grundlos rot (zum Beispiel als Erik meinen enthusiastischen Einsatz beim Trennen von Tapete und Fußleiste bewundert) oder stammle unzusammenhängende Halbsätze vor mich hin oder starre Erik unbemerkt an. Und gestern war die Krönung. Gestern habe ich ein Kichern von mir gegeben. In seinem Beisein. Also nicht nur in seinem Beisein, sondern als direkte Folge einer Aussage seinerseits. Ich kichere nie. Ich bin schließlich eine ernsthafte, erwachsene Frau. Das alles sind doch Symptome einer akuten Verliebtheit, oder? Ich bin durchaus erschrocken über diesen Gedanken.

Demotiviert hebe ich den Spachtel und kratze ein wenig auf dem irren 70er-Jahre-Muster in Braun/Grün/Blau herum. Lea seufzt und starrt die Wand an. Das Muster der Tapete scheint sie hypnotisiert zu haben.

Fest steht: Wir sind heute nicht gut drauf. Vielleicht liegt es an Eriks Abwesenheit? Der musste beruflich für zwei Wochen weg. Vielleicht handelt es sich aber auch nur um eine kosmische Störung, die uns aufs Gemüt schlägt.

»Arschloch-Tapete!«, sagt Lea im nächsten Moment wütend. Ich grunze zustimmend. Außerdem werde ich bald einen Schreikrampf bekommen, wenn ich nur das Wort »Tapete« höre. Meine Hände sind trotz der Handschuhe, die ich konsequent trage, total schrumpelig, und meine Fingernägel haben sich schon seit dem Flur im Erdgeschoss in Wohlgefallen aufgelöst und sind kollektiv abgebrochen.

Außerdem liegt mir meine neue Übersetzung schwer im Magen. Es ist wieder ein Liebesroman, allerdings wird diesmal nur keusch auf die Wange geküsst. Der Text ist nicht sonderlich kompliziert zu übersetzen, aber ich habe die letzten Tage immer erst nach acht Uhr abends daran sitzen können und hege die Befürchtung, dass ich wohl noch einige Nachtschichten einlegen muss. Die anhänglichen Tapeten haben meinen ausgeklügelten Zeitplan völlig über den Haufen geworfen.

Ich gehe mir kurz die Hände waschen. Als ich zurück ins Schlafzimmer komme, hockt Lea auf dem Boden und hält irgendwelche Zettel in der Hand.



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