LUX Domini ( Thriller ) by Alex Thomas

LUX Domini ( Thriller ) by Alex Thomas

Autor:Alex Thomas
Die sprache: eng
Format: mobi
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-04-20T22:00:00+00:00


37.

Westbengalen, Kalkutta

Orden der Missionarinnen der Nächstenliebe,

Shanti Nagar

Die fingerlosen Hände eines verstümmelten Mannes streckten sich Schwester Silvia entgegen. Täglich schleppten sich Leprakranke in die Kolonie, die von ihren Ehepartnern verlassen oder von ihrer Dorfgemeinschaft ausgegrenzt worden waren. Noch heute gab es viele Menschen in Indien, die dachten, die Krankheit sei die Folge eines Fluchs und deshalb unheilbar. Tatsächlich aber war Lepra eine Infektionskrankheit und konnte mit Hilfe moderner Medikamente gestoppt und geheilt werden, sofern keine Abwehrreaktion des Immunsystems mit Lepra-Antikörpern erfolgte, die noch Jahrzehnte nach der Heilung Nervenentzündungen hervorrufen konnte.

Schwester Silvia stammte aus dem irischen Rathfarnham, einem südwestlich gelegenen Vorort von Dublin, wo sich das Mutterhaus der Schwestern von Loreto befand. Dort war auch Mutter Teresa auf ihre Mission in Kalkutta vorbereitet worden. Inzwischen arbeitete Schwester Silvia seit über einem Vierteljahrhundert in »Shanti Nagar«, der »Stadt des Friedens«, wie die Lepra-Kolonie hieß.

Im Gegensatz zu einigen ihrer europäischen Mitschwestern hatte ihre erste Begegnung mit Indien, der Lärm, der Dreck, der Gestank, das Elend und das Chaos auf den Straßen, kein blankes Entsetzen oder das Bild eines Monsters in ihr hervorgerufen. Sie hatte Kalkutta und die Andersartigkeit der Einheimischen von Anfang an gemocht, das pulsierende Leben hinter dem Elend, die Unkompliziertheit, die Fröhlichkeit.

Schwester Silvia berührte den verstümmelten Mann und half ihm mit einem ermutigenden Lächeln vorsichtig auf. Wahrscheinlich hatte er die halbe Nacht am Eingang der Kolonie gewartet. Vorsichtig führte sie ihn zur Krankenstation, wo eine ihrer Kolleginnen den Mann übernahm. Erschöpft und erleichtert ließ der Lepra-Kranke sich auf einer der Liegen nieder, und Schwester Silvia kehrte zum Eingangstor zurück, um weiteren Patienten in die Kolonie zu helfen.

Wie die Irin wusste, begann die Lepra meist harmlos, mit einer Verfärbung der Haut, einem gefühllosen Flecken. Nur selten erkannten die Infizierten das erste Anzeichen der Krankheit, oder sie hielten es geheim. Die meisten Betroffenen kamen erst dann in die Kolonie, wenn ihre Körper schon verstümmelt und von Geschwüren bedeckt waren, wenn die Dorfgemeinschaft sie längst ächtete und verstoßen hatte, und so lebten in Shanti Nagar viele Menschen mit leprabedingten Behinderungen.

Dass Shanti Nagar überhaupt existierte, verdankte die »Stadt des Friedens« dem Mut und dem Tatendrang eines einzigen Menschen: Agnes Gonxhe Bojaxhiu, der späteren Mutter Teresa, für die ein Gebet ohne Tat kein wirkliches Gebet war. Tätiger Glaube war Liebe, und tätige Liebe war Dienst. Schwester Silvia hatte viele Jahre an Mutter Teresas Seite gearbeitet und deren unvergleichbare Hingabe bei der Pflege von Kranken und Sterbenden bewundert. Der »Engel der Armen«, wie die Menschen aus dem reichen Westen sie noch heute, nach ihrem Tod, nannten.

Oftmals hatte Schwester Silvia Mutter Teresa auf ihren Wegen durch die engen und schmutzigen Gassen der Slums begleitet, mit den notwendigsten Medikamenten ausgestattet, um den Kranken zu helfen. Dabei hatte sie, ohne dass es der Älteren je bewusst geworden wäre, von den starken Glaubenszweifeln erfahren, die Mutter Teresa gequält hatten, und das lange bevor die Öffentlichkeit von der Korrespondenz der katholischen Missionarin mit ihren geistlichen Begleitern erfahren sollte.

In dieser Korrespondenz hatte Mutter Teresa von einer tiefen Leere und Dunkelheit in ihrem Innern gesprochen, davon, dass sie keinen Glauben mehr hatte und dass sie es kaum wagte, diesen Gedanken auszusprechen.



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