Kriegsgebiete by Roland Spranger

Kriegsgebiete by Roland Spranger

Autor:Roland Spranger
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783937357690
Herausgeber: Edition 11
veröffentlicht: 2012-06-25T21:56:26+00:00


***

Maik schüttelte den Kopf.

»Das mit dem Karnickel ist krass. Und du meinst, die Tierquälerei wollte dir jemand in die Schuhe schieben?«

»Ja«, antwortete Daniel. »Ich glaube, das war Teil zwei seines Plans.«

»Und was war Teil eins?«

»Experimentieren. Er wollte ausprobieren, wie ich reagiere.«

»Soll das heißen, dass dich der Kaninchenkiller beobachtet?«

»Kann gut sein.«

Maik ging ans Fenster und verstellte die Lamellen der Jalousie. Er schaute nach draußen.

»Was machst du?«, fragte Daniel.

»Na, was wohl? Ich schau, ob sich auf der Straße vor meiner Haustür jemand herumtreibt, der wie ein gestörter Psychopath aussieht.«

»Ich glaube, er stellt sich nicht so dämlich an.«

»Warum? Wegen dem Wald?«

»Das lag nicht am Wald.«

»Du bist dir nicht sicher, ob dich wirklich jemand verfolgt hat.«

»Er war da.«

»Du hast ihn nicht gesehen.«

»Instinkt.«

Maik nickte, aber er sah nicht so aus, als hätte ihn die Antwort zufriedengestellt.

»Ich weiß schon, was du sagen willst.«

Maik zuckte mit den Schultern.

»Ich sag doch gar nichts.«

»Einem Hirninvaliden würde ich auch nicht alles glauben.«

»Besser ich leg erst mal Musik auf.«

Maik ging an sein CD-Regal.

»Es gibt einfach Situationen, in denen man merkt, dass Musik fehlt.«

Unzufrieden starrte Maik auf seine riesige CD-Sammlung. Er wechselte von digital zu analog und suchte in seinen Vinyl-LPs. Verklärt lächelnd zog er schließlich ein Cover mit einem hellblau umrandeten Schwarz-Weiß-Foto aus dem Regal. Maiks Umgang mit dem analogen Material als »liebevoll« zu bezeichnen, wäre eine gehörige Untertreibung gewesen. Die schwarze Scheibe aus dem Innencover in seine Handfläche gleiten zu lassen, war einer religiösen Zeremonie nicht unähnlich. Er legte das Cover zur Seite, während er mit der anderen Hand die LP balancierte. Gekonnt wechselte er seine Handstellung. Die Platte schien zwischen seinen Händen zu schweben wie ein mystisches Artefakt. Zuletzt schob Maik in einem rituellen Paarungsakt das sehr enge Loch der Vinyl-Scheibe über einen Metallstift. Der Tonarm bewegte sich mit einem quietschenden Geräusch zum Rand der Platte hin. Als die Nadel in der Rille aufsetzte, gaben die Lautsprecher ein Seufzen von sich.

»Man braucht einfach den richtigen Soundtrack, um sich in seinem Leben zurechtzufinden«, sagte Maik. Zufrieden nickte er im Rhythmus der Musik mit dem Kopf. Ab dem zweiten Refrain nickte Daniel mit. Es gab Schlimmeres, als gemeinsam zu nicken. In die knisternde Pause nach dem ersten Song sagte Maik:

»Hatful Of Hollow. Meine erste Smiths-Platte. Nur eine portugiesische Pressung. Deshalb war die damals so billig. Aber ich werde den Teufel tun und sie jemals verkaufen.«

Dann schwiegen die beiden Freunde zu What Difference Does It Make?

Nach dem Song fragte Maik: »Hast du irgendjemand von der Karnickel-Geschichte erzählt? Von der tatsächlichen, meine ich.«

»Nur Timo. Er hat mir geraten, Bonaparte zu vergraben, weil mein Messer verschwunden ist. Das NATO-Kampfmesser. Zufall, aber Zufälle machen dich verdächtig.«

»Das mit dem verschwundenen Messer wusste bisher nicht mal ich.«

»Timo und ich waren zusammen in Afghanistan. Nimm es mir nicht übel: Mit dir zusammen Musik zu hören ist wirklich das Größte, Maik, aber wenn du mal mit einem anderen so richtig in der Scheiße gesessen bist – das schweißt zusammen.«

»Scheiße schweißt zusammen?«

»Ja.«

»Und der Mitbeschissene kommt am Wochenende als Verstärkung?«

»Ja.«

»Kommt nicht oft vor, dass ein erklärter Pazifist wie ich gleich zwei Kriegsveteranen in seinem Bekanntenkreis hat.



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