Kramer 03 - Künstlerpech by Götschi Silvia

Autor:Götschi, Silvia [Götschi, Silvia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2016-02-02T16:00:00+00:00

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Es war einer jener Abende, an denen man am liebsten draussen weilte und das mystifizierte Licht auf sich einwirken liess, das sich seit dem Sonnenuntergang hinter dem Pilatus über den Vierwaldstättersee legte. Der Himmel veränderte stetig seine Farbe: von hellen Blautönen bis zu dunklem Violett. Noch bevor die Nacht ganz hereinbrach, gingen ringsherum die Lichter an.

Thomas war etwas früher als verabredet vor dem Hotel National eingetroffen. Er hatte seinen Wagen ins Parkhaus gegenüber abgestellt. Er flanierte den Quai entlang. Zwischendurch blieb er stehen und schaute auf die beleuchtete Fassade des Hotels, welche ein wenig noch von der Verspieltheit vergangener Zeiten hergab. Er kehrte auf den Parkplatz vor das Hauptportal zurück, um sich zu vergewissern, welche baulichen Veränderungen man in letzter Zeit vorgenommen hatte. Er erinnerte sich an das Verlegen des Teppichs im Eingangsbereich. Er stammte von Cartier, einem Künstler, der aufgrund seiner sexistischen Darstellungen in den 1980er-Jahren viel zu reden gegeben hatte. Ob dieser Teppich noch existierte? Vieles war einer sanften Renovation unterzogen worden. Dennoch erahnte Thomas das Fluidum der Belle Époque.

Da sah er sie!

Der rote Alfa Romeo fuhr gemütlich die Haldenstrasse entlang. Isabelle sass am Steuer. Sie hatte ein Kopftuch um; doch es war unverkennbar sie. Ein lachendes Gesicht, das sich in Richtung ihres Begleiters wandte in dem Moment, als die Strassenlampen es erhellten. Der Typ auf dem Beifahrersitz war in Stefans Alter. Thomas fuhr es in alle Knochen. Verdattert sah er dem Alfa nach, bis er nur noch die Schlusslichter ausmachen konnte. Er spürte, wie die Kraft aus seinem Körper schwand. Er kehrte zurück auf den Nationalquai, schleppte sich über die Kieselsteine wie ein gebrochener Mann. Isabelle im Cabrio. Isabelle – die sonst fror – fuhr im Cabrio. In dieser Jahreszeit, bei diesen kühlen Temperaturen. Mit Daniela Trechsler. Sie hatte ihm verheimlicht, dass sie Daniel hiess.

Thomas näherte sich der Treppe, die zum Restaurant führte, nahm trotz seiner schwabbeligen Knie zwei Stufen auf einmal und gelangte in einen offenen Raum, in dem Arkadenbögen dominierten. Ich kann mich auch getäuscht haben. Graumelierte Marmorsäulen und stuckverzierte Abschlüsse zeugten von einer pompösen Zeit. Nein, ich habe mich nicht getäuscht. Ich habe Isabelle gesehen. Der Boden war mit Platten in einem schwarz-weissen Waffelmuster ausgelegt. Die Tischordnung dagegen war schlicht und neuzeitlich.

Thomas setzte sich auf einen roten Sessel, während er etwas vor sich hinfaselte. Der Kellner, der an einem der Nebentische schmutziges Geschirr abräumte, beobachtete ihn irritiert. Thomas sah auf. Ihre Blicke trafen sich. Thomas meinte zu wissen, was der Kellner über ihn dachte. Er räusperte sich.

Etwas drohte einzustürzen, in dem er sich bis anhin in Sicherheit gewiegt hatte. Etwas zerbrach. Wie durch einen Schleier sah er Stefan durch den Vordereingang auf ihn zukommen. Aufgrund seiner froh gelaunten Art konnte er davon ausgehen, dass er noch nichts von Silvanos Tod erfahren hatte. War es relevant? Er wollte damit noch abwarten. Stefan sah gut aus, musste er neidlos eingestehen. Einen kurzen Moment vergass er das beklemmende Gefühl in seiner Brust. Stefan trug noch immer die dunkelgraue Kleidung, die er auch am Bankschalter trug, ein weisses Hemd und eine Krawatte in hellen Tönen.

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