Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie by Fossum Karin

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie by Fossum Karin

Autor:Fossum, Karin [Karin, Fossum]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-11T05:00:00+00:00


Es wurde spät. Das Licht verschwand, und die Bäume waren schon zu schwarzen Silhouetten geworden. Gunwald nahm den Hund an die Leine und stapfte zum Waldrand. Er brachte es nicht über sich, die Wiese zu überqueren, er hielt sich am Rand. Der Beagle keuchte mit hängender Zunge neben ihm her.

»Na los, Dicker«, sagte Gunwald. »Du brauchst Bewegung und ich auch.«

Sie gingen zum Norevann hinunter. Nach hundert Metern blieb Gunwald stehen und drehte sich um. Starrte zurück zur Wiese. Die Stille quälte ihn, aber er begriff nicht, warum. Das, was passiert war, hatte ihn gewaltig erschüttert. Alle im Ort waren ihm bekannt. Jetzt hatte ein Fremder Tod und Verderben gebracht. Wenn es denn ein Fremder war. Gunwald hatte noch nie Angst vor der Dunkelheit gehabt. Er schüttelte den Kopf und ging weiter. Das war jeden Abend seine feste Route. Sie gab ihm das Gefühl, dem fetten Hund gegenüber seine Pflicht getan zu haben. Und es war gut, den zu haben. Er war vielleicht keine große, starke Persönlichkeit. Und kein Kandidat für eine Hundeschau und auch nicht gerade gehorsam. Er war einfach nur stumme Gesellschaft. Leise Pfoten. Die vertraute Reaktion, wenn jemand sich in der Nähe des Hauses bewegte. Der Weg endete und ging über auf den mit Gras bewachsenen Hang und weiter zum Wasser. Jetzt waren seine Schritte lautlos. Der Himmel über ihm atmete, er spürte, wie die Haare auf seinem Kopf sich bewegten. Plötzlich hörte er ein vertrautes Geräusch. Einen Automotor, noch leise, aber er kam rasch näher. Er schaute auf die Uhr. So spät abends noch ein Auto beim Norevann, das begriff er nicht. Er verschwand zwischen den Bäumen und wartete, während der Hund sein Geschäft verrichtete. Gunwald verstand nicht, warum er plötzlich Angst hatte. Das war doch lächerlich, er machte hier seit Jahren seine Spaziergänge, wie viele andere auch, mit und ohne Hund. Er horchte auf das Auto. Das kam jetzt langsam, fast zögernd den Karrenweg herunter. Hielt an. Die Scheinwerfer strahlten den See mit kaltem, blauweißem Halogenlicht an. Dann erloschen sie, und es wurde wieder dunkel. Eine Gestalt tauchte auf. Holte etwas hinten aus dem Auto. Lief auf die Landspitze. Gunwald zog sich noch weiter zwischen die Bäume zurück. Dachte, jetzt wird der Hund gleich bellen. Aber das tat er nicht, er horchte einfach nur. Im schwindenden Abendlicht konnte Gunwald die Umrisse eines Mannes erkennen. Der Mann stand am Ende der Landzunge und hielt etwas in der Hand, etwas Großes und Schweres. Es sieht doch wirklich aus wie ein Koffer, durchfuhr es Gunwald. Der Mann drehte sich um. Dann hob er plötzlich den Arm und ein lautes Platschen war zu hören. Gunwald hörte sein Herz hämmern. Der Hund stand wie angewurzelt neben ihm. Der Mann ging eilig zum Auto zurück. Daß jemand etwas ins Wasser wirft, muß ja nichts zu bedeuten haben, dachte Gunwald. Trotzdem zitterte er. Dieser Wagen, der von nirgendwoher kam, dieser Mann, der sich so hastig über die Schulter umschaute, das machte ihm angst. Jetzt hatte der Mann das Auto erreicht. Einen Moment lang starrte er ins Halbdunkel, während Gunwald sich zwischen den Bäumen zusammenkrümmte.



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