Kochen im falschen Jahrhundert by Teresa Präauer

Autor:Teresa Präauer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Wallstein Verlag
veröffentlicht: 2023-10-15T00:00:00+00:00

1 Pfirsich

Die Gäste malten in hellen Pastelltönen das impressionistische Gemälde ihrer nicht beabsichtigten Verspätung. Das Ehepaar habe Hals über Kopf die Wohnung verlassen, als der Großvater im Begriff gewesen sei, den Säugling mit Badewasser zu stillen, mit Babybrei zu waschen und mit Milch aus dem Fläschchen einzukleiden. Allgemeines Gelächter. Ein Feuerwerk an Wortwitz, die beiden mussten die Geschichte bereits ein paar Mal so erzählt haben.

Es klang, als wäre der Großvater Loriot höchstpersönlich. Ein Mann, der selbst in seiner Zeit schon aus der Zeit gefallen war. Der Ehemann sah die Ehefrau an. Welche Worte würde sie denn benutzen, um seinen Vater zu beschreiben? Ein Macho, ein Tollpatsch, ein richtiger Pascha, deklamierte die Ehefrau lachend. Das Ratgeberbuch aus den achtziger Jahren lag aufgeschlagen auf dem Parkettboden. Sagt man noch Macho, fragte der Schweizer. Kommt auf den Mann an, erwiderte die Gastgeberin. Sagt man noch Mann, fragte der Partner der Gastgeberin und meinte es komisch. Ich liebe die Männer, rief die Ehefrau und berührte den Schweizer am Oberschenkel, der vom Rauchen auf dem Balkon zurückgekehrt war. Die Großmutter übernehme, zugegebenermaßen, das meiste, räumte der Ehemann mit Bedauern ein. Die Versäumnisse der letzten Jahrhunderte und die daraus erwachsene Schuld wollte er dennoch nicht alleine schultern.

Coleman Hawkins spielte Picasso auf dem Saxofon. Die Gastgeberin hatte sich den Abend anders ausgemalt, expressiv und farbenfroh wie in den Büchern des berühmten Kochs. Keine Gespräche über Säuglinge und Großeltern. Nicht Peach, eher in kräftigem Rot, Blau und Gelb. Vielleicht in einer zeitgemäßen Variante von Matisse. So wie die jungen Frauen jetzt malten, die ihre Bilder, Ateliers, Esstische und Handtaschen in bunten Wimmelbildern auf Instagram zeigten. Wer hätte vor wenigen Jahren vorhersagen können, dass der Expressionismus in einer Art Wohlfühlvariante zurückkehren würde? Oder dass die Plakate von Hans Arp in den dekorierten Zimmern der Influencer hängen würden? Erwachten die Bilder hundert Jahre später wieder zu neuem Leben? Die Gastgeberin begann im Verborgenen den Knoten ihrer Schürze in der Taille zu lösen. Was trug eigentlich diese Johanna Dumet beim Malen? Während ihre Gäste sich über Männer und Frauen unterhielten in einer Sprache aus einer vergangenen Zeit, scrollte die Gastgeberin rasch durch deren Fotos im Internet. Die junge Malerin in blassblauer Seidenunterwäsche im Atelier, darüber nur einen grünen Ledermantel mit Pelzkragen. Das Haar unfrisiert. Ihr Internetauftritt war genial.

Die Schürze der Gastgeberin passte nicht zu diesem Abend und nicht zu diesen Gästen. Oder war es umgekehrt? Wäre Unterwäsche in Kombination mit Ledermantel denn eine Option gewesen? Wen hätte sie einladen sollen? Die Gastgeberin rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, bis die vermaledeite Schürze endlich zu Boden fiel. Ihr Partner hatte den Vorgang bemerkt und diesen als diskrete Aufforderung gedeutet, mit seinem Fuß unter dem Tisch wieder an ihren Beinen hochzufahren. Nicht jetzt, zischte sie, schüttelte den Kopf und schickte ihrer Aussage ein Lächeln hinterher. Er zog beleidigt sein Bein zurück.

Die Gastgeberin wandte sich an ihre Gäste, es gebe französische Quiche und einen leichten Sommersalat. Französisch, leicht, Quiche. Seide, Salat, Pelz. Die junge Malerin würde es nicht anders gemacht haben. Die Worte aus dem Mund der Gastgeberin aber klangen plötzlich unauthentisch und brav.

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