Klimaquartett 04 - Der Traum von einem Baum by Maja Lunde

Klimaquartett 04 - Der Traum von einem Baum by Maja Lunde

Autor:Maja Lunde [Maja Lunde]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: btb Verlag
veröffentlicht: 2023-04-20T03:00:00+00:00


D och dann kam der eine Morgen.

Tommy stand wie immer zuerst auf und ging hinaus. Hinter ihm lag die rote Hütte, alle anderen schliefen noch. Unten lag das Adventdalen.

Still, so still.

Er setzte seinen Weg fort. Ging näher heran als sonst.

Beeilte sich, die Seilbahnstütze zu erklimmen. Linke Hand, rechter Fuß, linker Fuß, rechte Hand, schnell, schnell.

Er kam oben an. Hotellneset lag vor ihm, es war ein klarer Tag, seine Augen täuschten ihn nicht. Die Abwesenheit allen Lebens war unübersehbar.

Keine blaugraue Rauchsäule aus dem Krematorium. Das Tal war unbelebt, der Weg ebenfalls. In der Ferne bewegte sich etwas, nahe am Isdammen, doch es war nur ein Rentier.

Mit zitternden Händen und schlotternden Beinen kletterte er hinunter.

Ohne sich umzudrehen, rannte er zur Hütte zurück. Er knallte die Tür zu. Dann blieb er mitten im Wohnzimmer stehen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Er hörte Geräusche drinnen bei den Jungen, das Türenknallen musste sie geweckt haben.

Henry kam angeschlurft. Er setzte sich auf das Sofa, gähnte laut, kratzte sich unter dem einen Wollstrumpf am Bein. Tommy hörte seine Nägel über die Haut kratzen. Das Geräusch wirkte unwirklich verstärkt.

»Hast du gut geschlafen?«, fragte er, aber seine Stimme klang abwesend.

»Mm«, antwortete der kleine Bruder.

»Ich mach uns jetzt Frühstück«, sagte Tommy.

»Ja«, sagte Henry.

Aber Tommys Hände wollten sich nicht rühren, er blieb einfach nur mitten im Zimmer stehen.

Henry sah zu ihm auf.

»Du bist rot im Gesicht«, sagte er.

»Oh«, sagte Tommy. »Ja.«

»Du siehst aus, als wärst du gerannt«, fügte Henry hinzu.

»Ja, wird wohl so sein«, sagte Tommy.

Aber er erinnerte sich auf einmal nicht daran, ob er zur Hütte zurückgerannt war, vielleicht war es so. Doch, er war gerannt, während ihm das Herz bis zum Hals schlug.

Henry stand vom Sofa auf und nahm Tommys Decke mit. Er wickelte sich hinein wie in einen Mantel und fröstelte leicht darunter.

»Es ist kalt«, sagte er. »Es ist Herbst.«

»Nein«, sagte Tommy. »Es ist noch nicht Herbst.«

»Aber es wird doch dunkler«, erwiderte Henry. »Und dann ist Herbst. Wolltest du nicht eigentlich Frühstück machen?«

»Doch.«

»Wie ich sehe, wird das nicht so schnell was«, sagte Henry und ahmte Tommys Stimme nach.

Dann drehte er sich wieder zum Sofa um und legte die Decke ab.

»Ich muss mich wohl mal anziehen«, sagte er. »Dann kann ich dir helfen.«

»Warte noch kurz«, sagte Tommy.

»Warum?«

Tommy ging zum Sofa, setzte sich zu ihm und hüllte sich so wie Henry zuvor in die Decke.

»Komm her.« Er nickte dem kleinen Bruder auffordernd zu.

Henry zögerte ein wenig, tat dann aber, was Tommy ihm sagte, tapste zu ihm und setzte sich. Tommy legte die Decke auch um ihn, jetzt saßen sie beide darunter, nur die Köpfe schauten heraus.

»Du zitterst«, sagte Henry.

»Ja«, sagte Tommy.

Henry nahm Tommys Hand in seine kleine und drückte sie.

»Alles wird gut, du wirst schon sehen«, sagte er.

»Ja«, sagte Tommy. »Aber es macht nichts, wenn ich ein bisschen weine, oder?«

Henry blickte zu ihm auf.

»Nein. Aber warum?«

Tommy antwortete nicht, denn wenn er jetzt etwas zu sagen versuchte, würde er nur in heftige Schluchzer ausbrechen, und dann würde er die anderen wecken, und das musste er vermeiden, er musste es



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