Kleine Geschichte der Finanzkrisen - Spekulation und Crash von 1637 bis heute by Rotpunktverlag
Autor:Rotpunktverlag [Rotpunktverlag]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-26T00:00:00+00:00
Die Nebeneffekte der Profitgier
3. Akt: Der Betrug greift um sich
»Im Zuge eines Booms machen viele Menschen ein Vermögen; manche werden immer gieriger, und es tauchen Schwindler auf, die diese Gier ausnutzen.«32 Charles Kindleberger hatte schon früh verstanden, dass Finanzkrisen mit Straftaten einhergehen. Das fasst er sehr gut zusammen: »Die Tendenz der Menschen, zu betrügen und sich betrügen zu lassen, wächst proportional zur Spekulationsneigung.«33 Im 5. Kapitel seines Buches führt er zahlreiche Beispiele an. Und die Geschichte gibt ihm Recht: Während der Tulpenkrise kam es zu einigen Betrügereien, und auch in den 1920er-Jahren gab es neben Ponzi und Kreuger allerlei weitere Gauner.
Die Madoff-Affäre. Eng mit der Subprime-Krise verbunden ist der Name Bernard L. Madoff. Der allseits geschätzte Finanzmakler hatte ein betrügerisches System aufgebaut, das dem von Carlo Ponzi aus dem Jahr 1920 sehr ähnlich sah. Im Dezember 2008 flog es auf, und »Bernie« wurde verhaftet. Madoff ist der Archetyp eines Schurken. Hinter seiner Herzlichkeit und Umgänglichkeit verbarg sich ein passionierter Vabanquespieler. Ein Luxusappartment in Manhattan, Villen am Meer (auf Long Island, in Florida, an der Côte d’Azur), drei Jachten... Ende Dezember, als er unter Hausarrest stand und die Ermittler nach den Überresten seines Vermögens suchten, schickte er an Familienmitglieder »einige persönliche Gegenstände«, wie es sein Anwalt nannte: sechzehn Uhren, aus Gold oder diamantenverziert, von Cartier und Tiffany, Diamantcolliers, -ringe und -broschen, Jadecolliers und anderes im geschätzten Gesamtwert von über einer Million Dollar. Madoff war auch ein Philanthrop, doch ob er nun dem Luxus frönte oder Almosen verteilte: Er tat es immer mit dem Geld der anderen. Und dafür brauchte er viele gutgläubige Opfer.
Madoff war seit den 1960er-Jahren im Finanzsektor tätig, zur bekannten Persönlichkeit wurde er jedoch erst ab den 1980er-Jahren. Als man ihn verhaftete, hatte er seine Mitmenschen schon jahrzehntelang übers Ohr gehauen. Damit sein System funktionierte, mussten die Einnahmen immer höher sein als die Auszahlungen, und die Anleger mussten auf Heller und Pfennig ausbezahlt werden, sobald sie es verlangten. Wie war es Madoff gelungen, ständig neues Kapital anzulocken?
Seine vielfältigen und oft zitierten Beziehungen zu den reichsten US-Amerikanern ließen die Einnahmenquelle sprudeln. Damit allein hätte er aber nicht derart lange durchhalten können, und so baute Madoff ein Netz von Kundenfängern auf, die er großzügig entlohnte. Sie sorgten für Nachschub mithilfe von »Feederfonds« oder »Dachfonds« und empfahlen Kapitaleignern die besten Anlagemöglichkeiten. Dafür kassierten sie von ihren Kunden großzügige Provisionen und von Madoff Prämien. Ein einträgliches Geschäft also, das dazu verleitete, nicht allzu genau nachzuschauen, was der Investor mit dem Kapital machte. Zu diesen Fonds gehörte auch Access International Advisers (AIA Group), dessen Co-Direktor Thierry Magon de La Villehuchet sich nach der Enthüllung des für ihn unerwarteten Skandals im Dezember 2008 das Leben nahm. Madoffs Zwischenhändler arbeiteten meistens in größter buchhalterischer und steuerlicher Intransparenz und saßen in der Schweiz, auf den Kaimaninseln, den Bermudas, in Irland oder Singapur. Der Kriminologe Jean-François Gayraud analysiert in seinem im April 2011 erschienenen Buch unter anderem die Funktionsweise der Feederfonds und zeigt, dass die Manager dreier dieser Fonds Beziehungen mit der Mafia unterhielten.34 Somit war Bernard Madoff womöglich auch eine Anlaufstation für Geldwäsche.
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