Kiran & Viola: Prinzessin wider Willen (German Edition) by Cavegn Desiree

Autor:Cavegn, Desiree [Cavegn, Desiree]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-15T00:00:00+00:00

Kapitel 6

Es blitzte und donnerte. Regen trommelte gegen die Fensterscheiben und ein kalter Lufthauch strich durchs Zimmer, liess mich unter der Decke frösteln. Ich blinzelte in die Dunkelheit. Irgendwo schlug eine Tür zu. Benommen erhob ich mich, um das Fenster zu schliessen. Doch als ich beim Fenster ankam, merkte ich, dass es schon zu war. Ich drehte mich verwundert um meine eigene Achse. Was war da los? Weshalb war es so kalt im Zimmer?

Ein Blitz zerriss die Dunkelheit und schenkte mir zwei Sekunden Licht, so dass ich draussen deutlich eine Gestalt erkennen konnte. Eine Gestalt, die mit zwei Koffern an der Hand aus dem Haus trat. „Papa?“, flüsterte ich leise und spürte, wie sich mein Magen ängstlich zusammenzog. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und meine Fingernägel gruben sich nervös in die weichen Handballen. Wo wollte er bloss hin? Mitten in der Nacht? Noch dazu, bei einem Gewitter?

Ich wandte mich blitzartig vom Fenster ab, rannte in den Korridor und hastete die Treppe hinunter. Ich trug nichts als meinen Pyjama, als ich in den Regen hinaustrat. Es war mir zwar bewusst, dass es regnete, doch ich spürte nicht, wie mich die Wassertropfen begrüssten und kalt durch meinen Pyjama drangen. Es fühlte sich an, als hätte ich mich zweigeteilt: Eine Viola stand noch immer im warmen Zimmer und blickte fassungslos auf die Strasse hinunter, während die andere sich Hals über Kopf in den Regen gestürzt hatte. Ich war ein bisschen da und ein bisschen dort, ohne mich richtig entscheiden zu können, wo ich mich wirklich befand.

Ich holte meinen Vater bei seinem Wagen ein. Er lud gerade die Koffer ins Auto.

„Papa?“

Er wandte den Kopf.

„Viola! Was tust du hier? Geh schnell ins Haus zurück, du wirst ja ganz nass!“ Doch ich blieb einfach stehen. Ich sagte nichts mehr, beobachtete schweigend und mit einer dunklen Vorahnung, dass ich ihn nie wieder sehen würde, wie mein Vater den Kofferraum schloss. Furcht stand in meinem Gesicht, Furcht, die nicht hätte grösser sein können, wäre ich einem Tornado gegenübergestanden.

Mein Vater hielt inne und blickte auf mich hinunter. Ich wusste, dass er uns verlassen würde und er wusste, dass ich es wusste. Das konnte ich seinem Blick entnehmen. Dennoch entschied er sich seiner Tochter gegenüber für einen feigen Ausweg und log: „Es ist nur für ein paar Tage.“

Jetzt endlich bemerkte ich den Regen, der meinen Pyjama durchnässte, den Wind, der mein Haar zerzauste und die Kälte, die unter meine Kleidung drang. Es war, als hätten sich die beiden geteilten Violas wieder zu einem Gesamtbild zusammengefügt, doch ich wusste, dass dieses Bild für immer einen Riss behalten sollte.

Schweigend blickte ich zu meinem Vater auf, wobei mir Tränen über die Wangen liefen und sich mit dem Regen mischten. Ich versuchte gar nicht, meine Tränen vor meinem Vater zu verstecken. Er würde sie ohnehin nicht bemerken, würde sie einfach für Regentropfen halten.

Unschlüssig stand mein Vater neben dem Kofferraum, während der Regen auf seinen Anorak prasselte. Ich hatte ihm bei seinem Fluchtplan einen Strich durch die Rechnung gemacht und jetzt wusste er nicht, wie er mit dem Zwischenfall umgehen sollte.

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