Killerspiel by Michael Marshall

Killerspiel by Michael Marshall

Autor:Michael Marshall [Marshall, Michael]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
ISBN: 9783426419052
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-07-07T22:00:00+00:00


Als er diesmal wirklich erwachte, fiel ihm auf, dass er keineswegs Jeans trug, sondern eine blutverschmierte Jogginghose, und er erinnerte sich daran, wie er in den frühen Morgenstunden ins Meer hinausgewatet war, um ein wenig von dem Dreck auszuwaschen. Er hatte sich einige Zeit einfach nur ins Wasser gekauert, bis er fror. Dann war er den Strand hinaufgetaumelt und eingeschlafen.

Als er wieder aufwachte, sah er sich mit einem kleinen Kind konfrontiert.

Fünf, sechs Jahre alt, in einer gelben Badehose, einen Spaten mit langem Griff in der einen Hand, einen roten Eimer in der anderen. Die Farben leuchteten grellbunt.

Das Kind sagte nichts, sondern starrte nur auf den Erwachsenen, der hier gestrandet war. In seinem Blick lag unverhohlene Abschätzung und eine moralische Schamlosigkeit, die Warner selbst sich ein Leben lang abtrainiert hatte – wenn auch nur im Ausdruck seiner Augen.

Ja, jetzt siehst du noch ganz niedlich aus, dachte Warner, aber ich wette, deine Eltern wissen es besser. Ich wette, es gibt Zeiten, in denen sie in euren vier Wänden nur mühsam beherrscht die Fäuste ballen. Ein Sechsjähriger auf dem Kriegspfad – mit seinem Mangel an Verständnis für Strafe wie auch für Ansporn – zeigt einem, wieso unsere Gefängnisse voll sind und man im Wald vergrabene Leichen findet. Wir haben eine Liebe zur Zerstörung und Chaos in uns, der die Gesellschaft nichts Wirksames entgegenzusetzen hat.

»Als ich in deinem Alter war«, sagte Warner zu ihm, »habe ich einen Vogel gefangen und ihm eigenhändig die Flügel gebrochen, um zu sehen, was passiert.«

Das Kind fing zu weinen an und rannte weg.

Warner hob die Hände und versuchte, wieder Leben in sein Gesicht zu massieren. Die Haut verschob sich, fühlte sich jedoch schlaff und ausgetrocknet an. Der Drehschwindel saß immer noch in einem Winkel seines Hinterkopfes fest. Es kam ihm jetzt wie ein kleines Wunder vor, dass er in der Lage gewesen war, sich aus dem Rohbau des Apartmenthauses bis hierher ans Meer zu schleppen. Sein Bein fühlte sich so tot an, dass er kaum damit rechnete, es noch einmal bewegen zu können. Auch wenn das Bad im Meer den Schweißgeruch ein wenig abgespült hatte, so hatte es gegen den Gestank, den seine Wunde inzwischen verströmte, nichts ausgerichtet. Mit seinem Bein war eine verdammte Scheiße im Gange. Es wurde Zeit, dass ihn endlich jemand abholte.

Abgesehen von seinem kleinen Abstecher ins Meer hatte er mehrere Anrufe aus einer ramponierten öffentlichen Telefonzelle absolviert, die er an der Rückseite der nächsten Wohnanlage auf demselben Weg entdeckt hatte. Er war zunächst eine gefühlte halbe Ewigkeit langsam in dem Gebäudekomplex herumgeirrt, eine Ein-Mann-Zombie-Show, als er um die nächste Ecke bog und plötzlich in einem Lichtkegel einen Münzfernsprecher an einer Wand entdeckte.

Zwei Anrufe hatte er gemacht, als R-Gespräch.

Beim ersten hatte keiner abgenommen. Da er weder eine Uhr noch ein Handy hatte, konnte er nicht sagen, wie spät es war. Spät, so viel stand fest, vielleicht sogar sehr spät – doch der Mann, den er zu erreichen versuchte, war Polizist, jemand, der keinen geregelten Tagesablauf kannte. Und nun? Er hing hier fest. Sein Bein war zu sehr verletzt, als dass er aus eigener Kraft noch irgendwohin hätte gehen können.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.