Killer - Ein Jack-Rhodes-Krimi by Stephen Carpenter

Killer - Ein Jack-Rhodes-Krimi by Stephen Carpenter

Autor:Stephen Carpenter
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2014-10-27T23:00:00+00:00


Meine Kehle ist wie zugeschnürt, meine Augen füllen sich mit heißen Tränen.

»Können wir eine Pause machen?«, frage ich Dr. Abrams.

»Natürlich«, antwortet er. »Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen.«

Ich frage mich, wie viele Menschen hier in dieser Praxis vor diesem freundlichen, onkelhaften Mann schon in Tränen ausgebrochen sind.

»Ich habe mit ihm über sie, über Sara, gesprochen.«

»Worum ging es denn?«

»Er war … er interessierte sich für sie. Niemand anderes hörte mir sehr lange zu …«

»Er schon.«

»Ja.«

»Und was genau haben Sie ihm erzählt?«

»Alles. Von ihr, ihrem Leben, wie sie …«

»Haben Sie über ihren Suizid gesprochen?«

»Ja.«

»Was haben Sie ihm darüber erzählt?«

»Dass ich nicht weiß, weshalb sie das getan hat … Vielleicht weil … Es muss an mir gelegen haben. Ich habe vielleicht etwas falsch gemacht … oder gar nichts gemacht. Sie hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Ich weiß bis heute nicht, weshalb … Es passierte völlig unerwartet …«

»Sie war nicht krank gewesen oder hatte Depressionen?«

»Nein. Bevor wir uns kennenlernten, war sie an einer Depression erkrankt. Sie hat mir alles darüber erzählt. Sie hat ein paar Jahre lang Medikamente dagegen genommen, hat sie aber abgesetzt, als unsere Heiratspläne konkret wurden. Sie sagte, sie sei das erste Mal in ihrem Leben so richtig glücklich. Und genau deshalb verstehe ich das Ganze nicht. Sie sagte, sie bräuchte keine Pillen mehr, und ich dachte, ihr ginge es gut …«

»Und dieser Kerl aus der Kneipe, der hat Ihnen zugehört?«

»Ja, hat er.«

Mit einem Mal kann ich mich an noch etwas erinnern. »Er hat mich gelobt, ich sei ein guter Zuhörer. Deshalb erzählte er mir ein paar Dinge.«

»Was für Dinge?«

Ich reibe mir über die Augen.

»Brauchen Sie eine Pause?«, will Abrams wissen.

»Nein … es ist nur … ich habe noch nie darüber nachgedacht. Mist, mir fällt nichts mehr ein.«

»Lassen Sie sich Zeit.«

Ich sitze da und überlege.

Nichts. Ich schüttle den Kopf.

»Alles ist weg.«

»Dann kehren wir zu Saint Stephen zurück. Zu Ihrem Angreifer. Konnten Sie irgendwas erkennen?«

»Nein. Ich hörte ein Geräusch, drehte mich um, und dann spürte ich einen heftigen Schlag. Ich war bewusstlos, noch bevor ich den Täter erkennen konnte.«

»Es hat also kein Kampf zwischen Ihnen stattgefunden?«

»Nein.«

Abrams wirft einen Blick auf meine linke Hand. Meine Knöchel sind von dem Schlag, den ich Sallie Fun letzte Nacht verpasst habe, noch ganz wund. Ich lege meine rechte über meine linke Hand, weil ich die Verletzung aus einem Reflex heraus verstecken will. Abrams sagt keinen Ton.

»Das stammt von etwas anderem.«

Abrams sagt nichts und sitzt bewegungslos da. Das Schweigen im Raum macht mir zu schaffen, und deshalb erzähle ich auch ihm von meiner Begegnung mit Sallie.

»Die meisten Menschen hätten nicht den Mumm, sich so heftig zu wehren«, sagt Abrams.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich bin nicht gerade in der feinsten Gegend aufgewachsen.«

»Nicht mal dann«, sagt er.

»Ich mag es nicht, schikaniert zu werden, und ich kann es nicht leiden, Angst zu haben.«

»Wer hat Sie denn schikaniert? Damals, in Ihrem alten Wohnviertel«, fragt Abrams.

»So ein Kerl namens Vasquez. Als Junge bin ich immer zum Lesen in den Park geflüchtet, wenn meine Mutter mal wieder getrunken oder sonstige Drogen genommen hat.



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