Kennedys Hirn by Henning Mankell

Kennedys Hirn by Henning Mankell

Autor:Henning Mankell [Mankell, Henning]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Roman
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


DER SCHERENSCHNEIDER

»Es geht auch dich an, wenn es beim Nachbarn brennt.« Horaz

Auf dem Rückweg in der kurzen afrikanischen Dämmerung wiederholte Louise im Kopf einige Worte wie ein Mantra.

Henrik ist für immer fort. Doch vielleicht kann ich mich einigen seiner Gedanken nähern, dem, was ihn angetrieben hat. Um zu verstehen, warum er starb, muß ich verstehen, wofür er leben wollte.

Sie hielten an dem Bushalteplatz und den Buden an. Feuer loderten. Lucinda kaufte Wasser und eine Packung Kekse. Erst jetzt merkte Louise, daß sie hungrig war. »Kannst du dir Henrik dort vorstellen?« fragte sie.

Lucindas Gesicht wurde vom Schein eines der Feuer beleuchtet. »Ich mochte es nicht. Schon beim letzten Mal nicht. Etwas erschreckt mich.«

»War nicht alles erschreckend? All die Toten, die da lagen und nur warteten?«

»Ich meine etwas anderes. Etwas, was man weder hört noch sieht, was aber trotzdem da ist. Ich versuchte zu entdecken, was Henrik plötzlich gesehen hatte und was ihm solche Angst einflößte.« Louise sah Lucinda aufmerksam an.

»Bei unseren letzten Begegnungen war er in Todesangst. Das erzähle ich dir erst jetzt. Alle Freude war plötzlich verschwunden. Er wurde blaß von etwas, das tief aus seinem Inneren kam. Er wurde so still. Vorher hatte er immer viel geredet. Manchmal war er so mitteilsam, daß es einem zuviel wurde. Aber jetzt kam dieses Schweigen, wie aus dem Nichts. Das Schweigen und die Blässe, und dann verschwand er spurlos.«

»Er muß etwas gesagt haben. Ihr habt miteinander geschlafen, ihr seid zusammen eingeschlafen und wieder aufgewacht. Hatte er keine Träume? Hat er wirklich nichts erzählt?«

»Er schlief in der letzten Zeit unruhig, wachte schweißgebadet auf, lange vor der Morgendämmerung. Ich fragte ihn, was er geträumt habe. >Vom Dunkel<, erwiderte er. >Von all dem, was verborgen ist.< Wenn ich ihn fragte, was er meinte, antwortete er nicht. Und wenn ich ihm keine Ruhe ließ, schrie er auf und stürzte aus dem Bett. Er kämpfte mit einer Angst, ob er schlief oder wach war.«

»Dunkel und das, was verborgen ist? Hat er nie von Menschen gesprochen?«

»Er hat von sich selbst gesprochen. Er sagte, die schwerste aller Künste sei es, auszuhalten.« »Was hat er damit gemeint?« »Ich weiß es nicht.«

Lucinda wandte das Gesicht ab. Louise dachte, daß sie früher oder später die richtige Frage finden würde, die gestellt werden mußte. Doch im Moment suchte sie noch vergeblich nach dem passenden Schlüssel.

Sie kehrten zum Wagen zurück und setzten die Fahrt fort. Scheinwerfer blendeten in der Dunkelheit. Louise wählte Arons Handynummer. Die Signale verhallten, ohne daß sich jemand meldete.

Ich brauchte dich hier. Du würdest sehen, was ich nicht sehe.

Sie hielten vor Lars Häkanssons Haus. Die Wache vor dem Haus erhob sich.

»Ich war einige Male hier«, sagte Lucinda. »Aber nur, wenn er betrunken war.« »Mit Henrik?«

»Nicht mit Henrik. Lars Häkansson, dem Wohltäter aus Schweden. Nur wenn er betrunken war, konnte es ihm einfallen, mich mit zu sich in sein eigenes Bett zu nehmen. Er schämte sich vor den Wachen, er hatte Angst, daß jemand ihn sähe. Die europäischen Männer laufen zu Huren, aber es darf niemand merken. Damit die Wachen nicht sahen, daß ich im Wagen war, mußte ich unter eine Decke kriechen.



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