Kein Schwein ruft mich an (German Edition) by Eva Völler

Autor:Eva Völler [Völler, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-07T04:00:00+00:00

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Zu Weihnachten schrumpfte der Bestand der WG-Mitglieder auf eine einzige Person, nämlich mich. Schon am Heiligabend war die Wohnung verwaist; es war ein merkwürdiges Gefühl, durch die leeren Räume zu gehen und keinen Laut außer den eigenen Schritten zu hören.

Fritz hatte sich mit unbekanntem Ziel verabschiedet. Seinen Schlafsack und seinen Laptop hatte er dagelassen, was darauf schließen ließ, dass er a) richtigen Urlaub machte und dabei b) in einem richtigen Bett schlief.

Ayse war mit Ahmed - so hieß ihr Freund, der türkische Lehrer - zu ihren Eltern gefahren, die in irgendeinem Kaff im Südhessischen lebten. Anneliese und Theo wollten die Feiertage bei dessen Eltern in Hamburg verleben. Hanna verbrachte Weihnachten mit ihrer Mutter am Bodensee. Sie hätte natürlich viel lieber mit Tobias Weihnachten gefeiert, doch der musste notgedrungen mit seiner Familie rumhängen, das war bei ihm zu Hause Tradition, und außerdem war er es den Kindern schuldig.

Hanna hatte mich gedrängt, mit ihr an den Bodensee zu fahren, wo ihre Mutter seit ein paar Jahren lebte, doch ich hatte dankend abgelehnt, weil ich es mir nett vorstellte, mal ein paar Tage die Wohnung für mich allein zu haben.

Ganz allein blieb ich trotzdem nicht, denn Anneliese hatte mir Jojo dagelassen - damit ich mich nicht so einsam fühlte, hatte sie großmütig gemeint, und weil der Ärmste sich nur hier richtig zu Hause fühlte.

„Woanders kriegt er sofort nervöse Störungen“, hatte Anneliese gemeint. „Es dauert mindestens eine Woche, bis er sich an ein fremdes Klo gewöhnt hat.“

Obwohl ich Weihnachten allein verbrachte, hatte ich für meine Wohngenossen Geschenke besorgt, für eine nachträgliche Bescherung. Es war nichts Großartiges dabei, weil ich bis zum Ausgang meines Arbeitsrechtsstreits meinen Geldbeutel schonen musste, doch ich hatte mir über jedes einzelne Geschenk viele Gedanken gemacht.

Für Anneliese hatte ich ein Taschenbuch gekauft, nachdem ich mich durch vorherige Spionage in ihrem Bücherregal vergewissert hatte, dass sie es noch nicht besaß. Es hatte den Titel Die Frau - ein Spielball der Hormone und war eine Art Leitfaden für Schwangerschaft, Wochenbett, Menstruation und Klimakterium. Theo würde ich ein Reisebuch über Mittelamerika schenken, Ayse einen neuen Lippenstift. Ich wusste, dass ihr alter fast aufgebraucht war; in unserer WG bekam man dergleichen zwangsläufig mit. Bei dem Geschenk für Hanna fiel mir die Entscheidung schwer. Anfangs hatte ich lange zwischen zwei Buchtiteln geschwankt; zur Wahl standen Die Geliebte - Leben zwischen Licht und Schatten oder Die große bunte Welt der Tiere. Allerdings war mir Hannas Sinn für Humor in letzter Zeit eher unterentwickelt vorgekommen, so dass ich mich lieber für das Duschgel von Hugo Woman entschied, passend zu der von uns beiden benutzten Duftserie. Erstens hatte ich auch was davon, und zweitens würde sie damit Tobias mindestens in einen brüllenden Löwen verwandeln, ein Geschenk also, von dem letztlich alle Beteiligten profitierten.

Für Fritz’ Geschenk hatte ich am meisten ausgegeben. Es war eine erstklassige Ridge-Rest-Matratze zum Ausrollen, eine Isomatte, die jeder Kälte standhielt, so dass ich davon ausging, dass sie auch dem Teppichdreck gewachsen war. Für Fritz’ Kreuz würde sie allemal gut sein.

Am Weihnachtsmorgen rief ich gleich nach dem Aufstehen meine Schwester in London an.

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