Kehraus fuer eine Leiche by Martina Kempff

Kehraus fuer eine Leiche by Martina Kempff

Autor:Martina Kempff [Kempff, Martina]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492953863
Herausgeber: Piper (com)
veröffentlicht: 2011-09-14T22:00:00+00:00


16_ABGRÜNDE

Montagmorgen

Der unübersehbar wieder verjüngten Dame im Empfangsraum der Kölner Agentur gelingt es nicht, ihr gebräuntes Gesicht in jene Falten zu legen, die ihrem betrübten Blick anstünden.

»Wie bedauerlich, dass sich Désirée umentschieden hat«, flötet sie. »Aber warum teilt sie uns das nicht selbst mit?«

»Weil ihre Eltern mich bevollmächtigt haben, ihre Interessen wahrzunehmen«, flunkere ich. »Sie steht bei Ihnen schließlich nicht unter Vertrag.«

Ich kann diesen Ballon ungefährdet steigen lassen, da Herr und Frau Pee mit Sicherheit einen solchen Vertrag nicht unterschrieben hätten.

»Da irren Sie sich aber gewaltig«, tönt die Dame. »Ohne Vertrag dürften wir das Mädchen überhaupt nicht in unserer Kartei führen und Kunden anbieten.«

»Alles nicht rechtsgültig«, erwidere ich gelassen. »Désirée ist erst siebzehn. Haben Sie sich den Ausweis nicht zeigen lassen?«

Das kunstvoll modellierte Gesicht verschwindet hinter einem Monitor. Wenig später höre ich tiefes Ausatmen, das in einen Triumphseufzer mündet: »Wir sind eine seriöse Agentur! Sehen Sie selbst.«

Ich sehe die eingescannte Kopie eines Personalausweises, bei dem nur das Foto und das Geburtsland Belgien mit der Wahrheit übereinstimmen dürften.

Auch das sollte mich nach Marcels gestrigen Enthüllungen über Pias und Pattis bewegte Vergangenheit nicht wundern. Wobei noch unklar ist, ob es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, wie Marcel sich ausdrückte.

Die Kölner Polizei hatte vor acht Jahren die Angelegenheit unter diesem Begriff abgebucht. Danach die neunjährige Pia und die zehnjährige Patti wieder der Obhut des Landes Belgien übergeben. Dessen Polizei hatte wiederum die Eltern angemahnt, besser auf ihre Kinder aufzupassen.

Pia und Patti waren bei einer Razzia in einem illegalen Kölner Bordell aufgegriffen worden. Der Vernehmung nach waren die Kinder noch am selben Tag von zu Hause ausgerissen und nach Köln getrampt. Dazu passte die Vermisstenanzeige, die ein sehr verstörter Paul Prönsfeldt in jener Nacht bei der belgischen Polizei aufgegeben hatte.

Paul und Petra Prönsfeldt hatten eine Entschuldigung für ihre Unachtsamkeit: Sie waren damals wegen eines mysteriösen Todesfalls in ihrer Nachbarschaft selbst ins Visier der Fahnder geraten und hatten genug mit den daraus entstehenden Verdächtigungen zu tun. Sie wurden entlastet, als die Erben schließlich doch den Abschiedsbrief des Selbstmörders herausrückten und somit auf die Lebensversicherung verzichten mussten.

Verständlich, dass die Eltern Pee in diesem ganzen Stress ihren Nachwuchs einen Tag lang nicht beaufsichtigt hatten. Aber im Licht der jüngsten Erkenntnisse mag ich an einen einmaligen Vorgang, an einen einzigen Ausrutscher, nicht glauben. Steffen Meier war immerhin Türsteher in einem Kölner Bordell und hatte bis zu seinem Tod vor einer Woche Kontakt zu Pia.

»Dieser Ausweis ist leider eine Fälschung«, sage ich. »Wie ist Désirée zu Ihnen gekommen?«

Die Frau blättert per Tastendruck zurück.

»Oh Gott«, sagt sie und wird bleich.

»Durch Empfehlung von Herrn Steffen Meier?«, frage ich, bevor ich es selbst sehe.

Sie nickt und sieht so betroffen aus, wie es dem straff gespannten Gesicht eben möglich ist.

»Die Polizei war deswegen schon hier«, flüstert sie. »Das ist ja ganz furchtbar. Das mit dem Mord. So etwas muss man erst mal verdauen.« Sie deutet auf den Kuchenteller neben sich. »Möchten Sie ein Plunderteilchen, Frau Langer?«

Die Tür fliegt auf.

Herein stürzt ein Exemplar, von dem ich bis zu diesem Augenblick angenommen hatte, es im Leben nie wieder sehen zu müssen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.