Katzengold by Christine Anlauff

Katzengold by Christine Anlauff

Autor:Christine Anlauff
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2013-09-16T22:00:00+00:00


Donnerstag

Kein Rattenkratzen oder Mäuseschnaufen, nicht das leiseste Schaben von Mottenflügeln. Nur Asseln, das graue Volk, das niemand fressen wollte, weil es so dämlich war. Was nicht stimmte, aber so ist es nun mal mit dem Image: Was haftet, das wirkt. In Wirklichkeit bewunderte Serrano das gepanzerte Heer der Asseln und dessen ermüdende falsche Desorientiertheit, die nur einem Zweck diente: Die Blicke der Feinde von Eiern und Jungtieren abzulenken und ihnen darüber hinaus den Appetit zu vergällen. Mit Erfolg. Zwar hatte sich Serranos Appetit während der letzten Nachtstunden zu einem handfesten Hunger ausgewachsen, trotzdem verspürte er wenig Lust, sich das Maul mit Asseln vollzuschlagen.

Er stand auf, bemerkte bei einem Blick aus dem Fenster, dass es geregnet hatte, und ging zu Bismarck. Normalerweise war der Alte vor ihm auf den Beinen. Er ging früh schlafen, kroch dafür aber lange vor Sonnenaufgang aus den Federn, um seine Runde zu drehen, bevor die Hunde kamen.

Heute ruhte Bismarck noch in seinem Wagen. »Aufstehen!«, sagte Serrano.

Dann blieb er wie angenagelt stehen. Dann wurde ihm kalt.

Es war der Geruch, der zwischen den in der Morgensonne tanzenden Staubteilchen hing. Diesem Geruch war er täglich in der Fleischerei begegnet. Bismarcks Fell hob und senkte sich leicht. Aber die Bewegung rührte nicht von einem kraftvoll schlagenden Herzen her. Sondern von einem riesigen Vierrad, das draußen die Straße entlangdonnerte.

Serrano setzte sich. Er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Dafür wusste er jetzt, woher das feine Schaben in der letzten Nacht gekommen war. Es waren keine Motten, sondern zwei Lungenflügel gewesen, die ängstlich aneinandergerieben hatten.

Serranos Augen nahmen das gescheckte Fellbündel, das bis gestern noch seinen Freund beherbergt hatte, in sich auf, um es so lange zu speichern, bis sie selbst irgendwann brechen würden und ein anderer Kater an seiner Stelle saß, um dasselbe zu tun. Sich die lächerliche Hülle eines Einohrigen einzuprägen.

Draußen, hinter dem Flieder, gingen zwei Beine vorbei.

»Aufgestanden!«, sagte Serrano.

Liebermann erwachte davon, dass die Erde bebte.

Neben ihm schlief eine nackte Nico. Mehr aus Gewohnheit als aus Sorge darum, dass sie auskühlen könnte, deckte Liebermann sie zu. Dann stand er auf und ging zum Fenster. Es musste über Nacht geregnet haben. Die Straße glänzte wie frisch gescheuert, was den alten Bellin, wie er bemerkte, nicht davon abhielt, noch einmal mit dem Besen drüberzugehen.

Ein Laster ratterte vorbei und bog in die Ossietzkystraße ein. Im Schlepptau hatte er einen Kran, oder zumindest Teile eines Krans. Liebermann versicherte sich der Uhrzeit und ging ins Kinderzimmer hinüber, wo er die Mädchen in ein Hörspiel vertieft bäuchlings auf dem Teppich fand. Miri trug ein Prinzessinnenkleid. Als sie ihn bemerkte, steckte sie ihm die Zunge heraus. Erleichtert, wenn auch ein wenig gekränkt über die ausgebliebene Wiedersehensfreude schlurfte Liebermann in die Küche, setzte die Kaffeemaschine in Gang und machte sich auf die Suche nach einem Brotfach. Es gab keines. Stattdessen fand er einen großen Blumentopf und darin ein halbes Toastbrot. Als er es herausnahm, fiel ihm ein schmaler Umschlag aus Packpapier ins Auge, der zwischen dem Topf und dem benachbarten Toaster klemmte. Zögernd zog er ihn aus seinem Versteck.



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