Katzenberge: Roman (German Edition) by Sabrina Janesch

Katzenberge: Roman (German Edition) by Sabrina Janesch

Autor:Sabrina Janesch [Janesch, Sabrina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-11-23T23:00:00+00:00


Als er am Abend zum Hof zurückkehrte, sagte Großvater, habe er eine Gruppe von Bisamratten gesehen, die über den Weg in Richtung Bach flohen. Er wartete darauf, hinter ihnen einen Fuchs, einen Hund oder wenigstens einen ausgewachsenen Kater herjagen zu sehen, aber nichts dergleichen passierte. Ihre braunen Pelze verschwanden raschelnd im Untergehölz. Es dunkelte, Janeczko konnte kaum noch ein, zwei Meter in den Wald hineinblicken.

Irgendetwas war anders. Kurz vor dem Tor blieb er stehen und betrachtete den Innenhof, den Vorgarten, den Eingang zum Stall. Er kam nicht darauf, was es war, aber irgendetwas hatte sich verändert, seit er am Morgen den Hof verlassen hatte. Vor Janeczkos Schuhen trippelten zwei Spitzmäuse über den Weg, sie waren so winzig und so schnell, dass er die Augen zusammenkniff und sich unsicher war, ob er sie wirklich gesehen hatte. Er fuhr sich übers Gesicht, und mitten in der Bewegung hörte er ein vertrautes Geräusch, das aus dem Wald kam. Ein Gurren, ein Flügelschlagen, Äste, die sich unter dem Gewicht kleiner aufstiebender Leiber bogen und berührten. Das war es: Die Tauben, die für gewöhnlich auf dem Dach der Scheune saßen, fehlten. Richtig kahl war sie ihm vorgekommen, ohne die grau-weiß gesprenkelten Vögel, über die er sonst immer geflucht hatte. Wahrscheinlich waren sie die Überbleibsel einer deutschen Zucht. Was hatte sie dazu veranlasst, den Hof zu verlassen und im Wald zu übernachten?

Obwohl er so schnell wie möglich nach seiner Frau und dem Kleinen sehen wollte, öffnete er nur widerstrebend das Tor. Während der Arbeit im Schloss hatte er sich schon zurechtgelegt, was er zu Maria sagen würde, über ihre Schwangerschaft. Ein Mann wie er konnte sich in solchen Zeiten nicht um Frauenangelegenheiten kümmern. Das würde ihr schon einleuchten.

Es war nicht seine Ratlosigkeit, die ihn davon abhielt, direkt über den Hof zu gehen, trotzdem musste er sich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Seine Beine kamen ihm plötzlich unendlich schwer vor, und kurz vor der Tür fragte er sich, warum er eigentlich überhaupt hineingehen musste. Er stutzte. Wo war dieser Gedanke hergekommen? Selber hatte er ihn doch nicht gedacht … Er trat ein. Maria?, rief er und rang nach Atem. Im Flur roch es atemberaubend nach Waldmeister.

Sein Hemd gegen die Nase gepresst, kam er in die Küche und sah Maria am Fenster stehen. Als sie ihn hörte, drehte sie sich langsam um, führte ihren Zeigefinger an die Lippen und zeigte erst auf das Nebenzimmer, in dem der Kleine schlief, und dann nach draußen, auf die Felder. Ohne ein Wort an ihn zu richten, wandte sie ihm wieder den Rücken zu. Janeczko betrachtete sie so unauffällig wie möglich von der Seite. Es stimmte: Ihr Bauch wölbte sich unter den Röcken, auch ihre Bluse straffte sich über der Brust. Wie hatte er das bloß übersehen können? Sein Blick wanderte nach oben und blieb an ihrem Hinterkopf kleben: Dort, wo sich normalerweise ein dicker schwarzer Zopf den Rücken hinunterwand, stachen jetzt einige Strähnen unter Marias Kopftuch hervor. Fassungslos griff er ihr ins Haar und streifte das Tuch ab: Ihre Haare reichten kaum mehr bis zu den Ohrläppchen.



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