Karl XII. by Heinz-Jürgen Zierke

Karl XII. by Heinz-Jürgen Zierke

Autor:Heinz-Jürgen Zierke [Zierke, Heinz-Jürgen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: EDITION digital
veröffentlicht: 2015-04-17T16:00:00+00:00


Ein junger Offizier, der entfernt an Stenbock erinnerte, aber einen so hohen Rang wohl noch nicht bekleidete, empfing Sven und ließ ihn, da er sah, wie sehr die Reise den Kranken mitgenommen hatte, sogleich in eine geräumige Kammer bringen.

Die Anstrengungen der Fahrt, oder war es die Sehnsucht nach der Heimat, die beim Anblick dieser friedlichen Welt in ihm aufgeflammt war, warfen ihn für Wochen auf das Lager. Die kaum verheilte Wunde brach wieder auf und begann aufs Neue zu schwären. Das Fieber stieg; in seinem Kopf dröhnte es, als ob Feldsteine gegen eine eiserne Kasemattentür polterten. Er nahm kaum wahr, dass ihn wieder eine runzlige Alte bediente, dasselbe breite Gesicht, der eingefallene Mund, die Warze unter dem Kinn. Die Polin aus Rawicz? Er wollte auf ihre Sprache achten, aber da war nur ein fernes Rauschen, Wellen klatschten gegen die Bordwand.

Als er wieder bei Verstand war, hatte Stanislaus Leszczinskis Krönung längst stattgefunden. Sein Gastgeber, der Rittmeister von Kettelhake, berichtete: „Drei Tage ließ man ihn hungern, fasten nennt man das wohl auf katholisch, soll die Seele reinigen, reinigt höchstens die Gedärme. Neue Kronen für König und Königin, pures Gold! Als ob es nicht goldbeschlagenes Eisenblech auch getan hätte, wenn der Sachse schon die alten Insignien nicht hergeben will. Von Kopf bis Fuß in zobelgefüttertem Purpur. Und die Armee? Keine Haushaltung, diese Polen!“ Das klang recht hämisch. Dabei war der Kurfürst-König von Brandenburg auch kein Knauser, wenn es um die Pracht seines Hofes ging.

„Der Erzbischof von Lemberg, ausgerechnet von Lemberg!, zottelt dem König das Schwert aus der Scheide und fuchtelte ihm damit unter Absingen römischer Zaubersprüche vor der Nase herum. Salbung kreuzweise auf Ellenbogen und Handflächen, dann, denken Sie, Leutnant, das Öl mit Brot abgerieben, vielleicht auch noch kreuzweise. Dass er ihn nicht kreuzweise …“ Er merkte wohl, dass sein Hohn den schwedischen Gast kränken konnte. „Ah, andere Länder, andere Sitten. Wenn das Volk es so haben will!“

Tags darauf reiste er zu seinem Regiment. Ende September Manöver? Oder steckte anderes dahinter? Wenn die Ernte die Magazine gefüllt hatte, war die beste Zeit für einen Feldzug. Wollte sich Brandenburg ein Stück aus dem polnischen Kuchen schneiden?

Alle paar Tage schaute ein schnauzbärtiger ausgedienter Wachtmeister herein, ein wortkarger mürrischer Mann, eine Art Vorarbeiter, dessen Haupttätigkeit darin bestand, die Bauern zur Arbeit einzuteilen. Wenn er eintrat, grüßte er knapp, rückte den Tisch gerade, stellte den Stuhl an seine Stelle, fuhr mit dem angefeuchteten Finger über Fensterbrett und Türleisten und knurrte, wenn er Staub fand, die alte Frau an.

Es war die Polin nicht. Wie hatte er sie nur verwechseln können; das Fieber. Manchmal legte sie ihm ihre harte, runzlige Hand auf die heiße Stirn und strich graubraune Salbe auf die Wundränder. Auch sie sprach selten. Erst nach und nach erfuhr Sven, dass sie Bäuerin gewesen war und auf dem Altenteil saß; den kleinen Hof bewirtschaftete der Sohn, der auch schon wieder große Kinder hatte. Wenn ein Arm einzurenken, eine Eiterbeule zu schneiden, eine Flechte zu besprechen oder ein Kind zu holen war, rief man sie.

An einem sonnigen Oktobertag wagte er sich zum ersten Mal in das Dorf, viel war da nicht zu gehen und zu sehen.



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