Kaputte Herzen kann man kleben by Kristina Günak

Kaputte Herzen kann man kleben by Kristina Günak

Autor:Kristina Günak [Günak, Kristina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2021-04-28T00:00:00+00:00


Kapitel 17

»Oha«, sagte Steffi. »Amelie ist ja nun definitiv keine Katastrophe. Deine Tante hat das nicht so gemeint. Oder?«

Ich spülte die restlichen Flips in meinem Mund mit einem großen Schluck Rotwein hinunter. »Wir haben nie darüber gesprochen«, sagte ich schließlich. »Amelie war nicht geplant, aber als sie sich angekündigt hat, war klar, dass wir sie bekommen würden. Ich wollte aus tiefstem Herzen Mutter werden. Vielleicht war es blauäugig, aber ich dachte wirklich, dass Hannes versteht, was das Elternwerden bedeutet – Verantwortung für einen kleinen Menschen zu übernehmen und sich selbst und seine Bedürfnisse zwangsläufig einschränken zu müssen. Ich wusste letztendlich ja selbst nicht, wie das mit einem Baby wird. Aber ich hatte mir vorgenommen, die erste Zeit zu genießen und mich ganz Amelie zu widmen, bevor ich wieder anfing zu arbeiten. Ich wollte mich selbstständig machen. Hannes war mit seiner Fotografie ja zeitlich flexibel und wollte gemeinsam mit mir für sie da sein. Die perfekte Lösung! Selbst die ständige Rufbereitschaft hätte ich irgendwie hinbekommen«, erzählte ich weiter und wollte noch heute meinem jüngeren Ich einen derben Schlag auf den Hinterkopf verpassen. »Dann kam Amelie, und Hannes hat einfach so weitergemacht, als wäre nichts passiert. Er fand unsere Tochter durchaus süß. Aber sobald irgendetwas getan werden musste, stand er nicht zur Verfügung. Selbst bei so banalen Dingen wie Aufräumen oder Putzen. Und wenn Amelie weinte oder gewickelt werden musste, hat er nach mir gerufen. Es war wie ein Schock. Ich lag noch im Wochenbett, als er erklärte, er wolle nach Spanien an den Strand fahren. Um zu surfen.« Ich spürte diese Erschütterung bis heute. Und konnte mir meine Unfähigkeit, mich zu behaupten, bis heute nicht vergeben. »Ich bin mit meiner kleinen Amelie mitgefahren. Vier Wochen nach der Geburt.«

Hase schluckte trocken. Wibo kratzte sich am Kopf.

»Als Hebamme habe ich den Frauen immer eingebläut, wie wichtig das Wochenbett ist. Natürlich gibt es auch Frauen, die das locker wegstecken und nach der Geburt so weitermachen können wie vorher. Viele müssen das ja auch, wenn schon große Geschwister da sind. Aber für mich galt das eben nicht. Und ich glaube mittlerweile, dass dieses schnelle ›wieder funktionieren‹ für die Gesellschaft zwar hilfreich ist, aber nicht für die Mutter. Ich war total ausgeknockt, und Amelie war in den ersten Wochen ziemlich unleidlich. Sie hat sehr viel geweint. Und ich mit ihr. Hannes war vor allem genervt. Diese Reise war wohl eine der größten Katastrophen in meinem Leben.«

Alle drei Frauen sahen mich erschüttert an.

»Ich musste mir nach der Geburt von Lasse meinen Namen aufschreiben«, erklärte Steffi trocken, »sonst hätte ich den wahrscheinlich vergessen. Ich konnte nur im Bett liegen und das frischgeborene Wunder ansehen. Nie im Leben hätte ich campen gehen können!« Sie schnaubte düster. Auch die anderen schüttelten den Kopf.

»Und wie ging es weiter?«, fragte Wibo und goss mir Rotwein nach. Ich würde wohl nach Hause laufen müssen. Oder gleich am Strand schlafen.

»Hannes und ich haben niemals darüber gesprochen, wie wir als Eltern sein wollten und wer welche Aufgaben zu übernehmen hatte. Wir dachten wohl beide zu wissen, wie der andere jeweils tickt.



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