Kants ethischer Autonomiebegriff by Ana-Carolina Gutiérrez-Xivillé

Kants ethischer Autonomiebegriff by Ana-Carolina Gutiérrez-Xivillé

Autor:Ana-Carolina Gutiérrez-Xivillé
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2018-03-15T00:00:00+00:00


7.1.2.4 Die praktische Notwendigkeit als Grund der Achtung und des Moralprinzips

Wie angedeutet, entsteht die praktische Notwendigkeit in moralischer Hinsicht aus der Idee eines an sich Guten, das unbedingt gut ist, und nicht böse sein kann, mithin notwendig gut ist.

Das Prinzip, das der Wille durch die praktische Vernunft formuliert, definiert das Verhältnis der Willkür zu ihm. Wegen der Unbestimmtheit der menschlichen freien Willkür stellt sich dieses Prinzip (als notwendiger Gegenstand eines reinen Willens, und zwar als das an sich Gute) als eine besondere praktische Notwendigkeit dar. Denn es handelt sich nicht um das notwendig gute Handeln eines „heiligen Willens“925, bei dem „das Wollen schon von selbst mit dem Gesetz nothwendig einstimmig ist“ (GMS, 414.01), bei der das Gutsein kein zu erreichender, sondern ein aktueller Zweck wäre, bzw. bei der „die Handlungen, die als objectiv nothwendig erkannt werden, auch subjectiv nothwendig“ wären (GMS, 412.31).

Im Gegensatz dazu ist das Gutsein bei einer freien Willkür ein zu verwirklichender Zweck bzw. etwas, das „geschehen soll, ob es gleich niemals geschieht“ (GMS, 427.03). Entscheidend ist also, dass bei diesem Verhältnis und bei der Formulierung von Handlungsprinzipien noch ein weiterer Faktor außer dem Moralprinzip eine maßgebende Rolle spielt, nämlich: die Sinnlichkeit, wodurch die freie Willkür jederzeit affiziert wird. Ihretwegen ist das subjektive Verhältnis der Willkür zum Willen (bzw. zur praktischen Vernunft) „zufällig“ (siehe GMS, 413.02). Denn sie unterliegt den Naturgesetzen und dringt jederzeit auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse und Neigungen.926 Demgegenüber legt das Moralprinzip die Allgemeingültigkeit der Maximen als Richtschnur moralischen Handelns fest. Danach zu handeln, impliziert eine Nötigung, und zwar, dass die sinnlichen Triebfedern außer Acht gelassen werden sollen. Diese bedeuten ein Hindernis für die moralische Bestimmung von Maximen und Handlungen. Die moralische Nötigung entsteht also aus der Konfrontation zwischen dem Prinzip der Vernunft und der natürlichen Neigung, die Sinnlichkeit zu befriedigen. Zuletzt liegt die Entscheidung für die Moralität, wie die für die Befriedigung der Bedürfnisse, in den Händen der Menschen. Die Konfrontation beleuchtet, warum der Mensch immer „ungern“ (V-Mo, 045.13/053 ff.) die moralischen Prinzipien befolgt.

Diese Konzeption der Nötigung der Willkür als Anlass zur Moralität weist auf eine begriffliche Vertiefung gegenüber früheren Ausführungen Kants zur praktischen Notwendigkeit hin.

Auf der Suche nach dem Grund aller Verbindlichkeit (als der Oberbegriff der Moral) legt die Untersuchung die fruchtbare Unterscheidung zwischen „necessitatem problematicam“ und „necessitatem legalem“ (UD, 298.14) fest, wo diese die Notwendigkeit der Handlung als eines Zwecks, d. h. eine Verbindlichkeit, jene aber die Notwendigkeit der Handlung bloß als eines Mittels zu etwas Anderem ausspricht.927 In der Moralvorlesung identifiziert sich der Begriff der praktischen Notwendigkeit sowohl mit der moralischen (d. i. „cathegorischen Nothwendigkeit“ [V-Mo, 027.02/028]928) als auch mit der pragmatischen (d. i. „pathologischen“ [V-Mo, 027.30/029]) Notwendigkeit: Einerseits entstammt die moralische Notwendigkeit (im engen Sinne) aus Gesetzen, die die objektive Nötigung im Menschen (siehe V-Mo, 027.24/029 f.) begründen; und auf dieser Nötigung beruht letztlich alle Verbindlichkeit (siehe V-Mo, 029.02/031).929 Andererseits entspringt die pragmatische Notwendigkeit aus „pragmatischen“ (V-Mo, 007.18/009) Gesetzen (auch „Gesetzen der Sinnlichkeit“ [V-Mo, 027.33/029] genannt), die den „Gebrauch der Mittel zum allgemeinen Zwek der Menschen, das ist zur Glückseligkeit“ (V-Mo, 008.08/010) regeln und somit dringen sie pathologisch oder subjektiv (siehe GMS, 028.



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