Kannibalen-Herz by Margaret Millar

Kannibalen-Herz by Margaret Millar

Autor:Margaret Millar [Millar, Margaret]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783257607383
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


{133}12

Vor Marks Fenster lärmten die Schwalben in der Kalifornischen Eiche.

»Schließlich kann man von uns als zivilisierten Menschen erwarten, daß wir ein wenig tolerant sind«, sagte Mark. »Sie hat also gelogen, na und?«

»Ehrlich, Liebling, ich habe kein Aufhebens davon gemacht. Ich habe lediglich die Tatsache erwähnt, daß sie eine Lügnerin ist und ich wünschte, sie reiste wieder ab. Wir schulden ihr nichts.«

»Außer dem Haus.«

»Dafür bezahlen wir Miete«, sagte Evelyn. »Mehr noch, ich bin nicht zivilisiert. Ich würde gern zu ihr gehen und ihr ins Gesicht sagen, na los, Schätzchen, jetzt erklär dich mal.«

»Das würdest du gerne, wirst es aber nicht tun.«

»Nun …«

»Und sie kann vielleicht gar nichts erklären. Ist dir der Gedanke schon mal gekommen?«

»Sie kann. Jeder kann, in gewissem Maße.«

»Na schön, dann erklär du dich mir mal in gewissem Maße.«

Evelyn hob eine Augenbraue. »Ich halte das für nicht sehr komisch.«

»Es war mir durchaus ernst.«

{134}»Ich kann mich sehr leicht erklären, wenn du’s wissen willst. Es sind die anderen, die kompliziert sind. Du«, sagte sie düster, »und Jessie und Mr. Roma, praktisch alle.«

Mark lächelte. »Wir sind ein wenig meschugge, klar.«

»Das erinnert mich – wenn du wirklich mit diesem albernen Schlauchboot da rausfahren willst, dann nimmst du besser etwas Sonnenöl mit.«

»Was ist da so albern dran? Das war ein Sonderangebot, noch vom Krieg übrig. Komplett mit zwei Paddeln für fünfundzwanzig Dollar.«

»Ich dachte, du wolltest es Jessie zum Geburtstag schenken.«

»Ich werde ihr halt was andres besorgen.« Er zog sich seine Badehose an, zog die Kordel fest und dabei automatisch den Bauch ein.

»Du hast recht hübsche Beine«, sagte Evelyn nachdenklich.

»Um besser die …«

»Und eine schmutzige Phantasie.«

»Auch wieder klar, Mütterchen.«

Sie blickte ihn an, halb erfreut über seine gute Laune, halb argwöhnisch. »Was verbirgt sich eigentlich hinter dieser ganzen Hochform?«

»Du.« Er hob sie vom Boden auf und drückte ihr einen Kuß auf den Hals. »Du, mein Engel.«

»Ich und wer noch?«

»Lieber Himmel, da wären wir wieder. Gib mir mal das Öl rüber, bitte.«

»Komm, ich mach das.«

Sie rieb seine Schultern und seinen Rücken mit Sonnenöl ein. Seine Haut schälte sich noch immer ein bißchen, {135}was auf den letzten Sonnenbrand zurückzuführen war, und sie berührte sie nur ganz sacht.

»Andere deine Meinung und komm mit«, sagte er.

»Nein, danke. Du willst nur, daß ich dir beim Paddeln helfe. Weißt du noch, wie ich das letzte Mal in einem Boot mit dir rausgefahren bin? Bei der Feuerinsel? Alles, was du getan hast, war, Befehle zu schnarren wie Captain Bligh.«

»Es war windig und wir drifteten ab. Und ich habe nicht geschnarrt.«

»Captain Bligh war nichts als ein liebenswürdiger alter Herr, na klar.« Sie machte eine Pause. »Warum nimmst du nicht jemand anderen mit?«

»Wen zum Beispiel?«

»Na, Mrs. Wakefield würde wahrscheinlich Spaß daran haben.« Evelyns Stimme war so weich wie das Öl auf ihren Fingerspitzen. »Sie ist eine gute Schwimmerin. Du brauchtest dir also wegen des Abtreibens keine Sorgen zu machen. Sie könnte das Seil einfach zwischen die Zähne nehmen und den Kahn an Land ziehen.«

»Wahnsinnig komisch.«

»Das denke ich auch.«

»Was würdest du machen, wenn ich sie wirklich fragte?«

»Ich weiß nicht. Probier’s halt aus.«

»Das werde ich.«

Evelyns Lächeln war unsicher, als sie den Verschluß wieder auf die Flasche schraubte.



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