Kalte Fische by Leopold Hüffer

Kalte Fische by Leopold Hüffer

Autor:Leopold Hüffer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2015-08-31T00:00:00+00:00


Kadavergehorsam

Wem wirklich Vertrauen geschenkt wird

Markus ist ein Top-Mann: mit gerade mal vierzig Jahren Vorstandsvorsitzender geworden, sehr fähig, analytisch begabt, ein hervorragender Stratege und Umsetzer und dabei außerordentlich kommunikativ. Er ist die sympathische Idealbesetzung für die Aufgabe, einen Lebensmittelriesen zu reorganisieren, der in bedrohliche Schieflage geraten ist. Der Konzern besteht aus einem sehr komplexen Geflecht aus über 50 Firmen, und überall haben sich hemmende und verbohrte Seilschaften eingenistet, gegen die es sich durchzusetzen gilt. Wie einst Herkules im Augiasstall geht er daran, gründlich auszumisten. Er krempelt die Ärmel hoch und nimmt sich ein Unternehmen nach dem anderen vor. Er sucht systematisch nach den Leichen im Keller und nach denjenigen, die sie dort versteckt haben und die er schon bald allzu gut kennt.

Sein großes Problem: Der Vorstand ist sich uneins und steht nicht geschlossen und mit letzter Konsequenz hinter der von ihm betriebenen Revitalisierung. Immer wieder wird ihm in blöden Diskussionen die dringend benötigte Rückendeckung für erforderliche Einschnitte verweigert. Deshalb ist Markus gezwungen, sich in den Unternehmen selbst Verbündete zu suchen. Das hat seinen Preis. Teilerfolge muss er mit Zugeständnissen an anderer Stelle erkaufen. Dabei gerät er immer mehr in Abhängigkeiten.

Mit der Zeit bemerkt Markus, dass er einen Pyrrhussieg nach dem anderen erfochten hat. Bei der Analyse der Situation wird ihm langsam deutlich, dass er sich schon zu sehr in den überall installierten Filz hineinbegeben und sich darin verheddert hat. Er leidet unter dem Marionetten-Syndrom: Jemand wird von mehreren Seiten für ganz unterschiedliche Zwecke instrumentalisiert. Als er dann merkt, dass er aller Bewegungsfreiheit beraubt ist, als die Fesseln beginnen, ins Fleisch zu schneiden, ist es zu spät.

Markus ist zu vielen Leuten etwas schuldig, um seinen Weg noch gehen zu können. Also entschließt er sich, eine Zäsur vorzunehmen und sich beruflich neu zu orientieren. Denn noch kann er halberhobenen Hauptes aus der Sache herauskommen. Wenig später wäre das nicht mehr möglich gewesen, und sein Ansehen hätte doch sehr Schaden genommen.

Es gibt eigentlich keinen wirklichen Grund für Markus, sich als Verlierer zu fühlen. Ohne die uneingeschränkte Unterstützung seiner Vorstandsmitglieder war sein Vorhaben von vorneherein zum völligen Scheitern verurteilt. Unter den herrschenden Bedingungen hätte vermutlich niemand außerhalb der allmächtigen Seilschaften die Aufgabe meistern können. Markus’ einziger Fehler war es, die Position überhaupt angetreten zu haben.



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