Kabarettistische Lesereise by Annette Arndt und Gigi Louisoder

Kabarettistische Lesereise by Annette Arndt und Gigi Louisoder

Autor:Annette Arndt und Gigi Louisoder
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: EDITION OCTOPUS
veröffentlicht: 2014-12-28T05:00:00+00:00


Gigi Louisoder

Agentur für Arbeitssuchende

Der Warteraum hat sich bis auf eine Wartende geleert, als das Blink Blink darauf aufmerksam macht, dass die nächste und diesmal letzte Nummer aufgerufen wird. Mit dem Nummernkärtchen 185 in der Hand macht sich nun Frau Schultze mit tz auf den Weg zu Raum Nr. 4. Mit einem freundlichen „Juten Morjen“, tritt Frau Schultze ein.

Hinter dem PC auf dem Schreibtisch verschwunden sitzt vermutlich eine Dame. Sie schaut nicht hoch und lässt Frau Schultze Platz nehmen.

„Frau Schultze, haben Sie schon mal als Köchin gearbeitet?“ erklingt eine müde, desinteressierte Stimme. „Ja, sicher hab ick dit, ick hab schon immer jekocht.“ Frau Schultzes Stimme klingt eifrig bemüht. „Na, das ist ja prima, aber wir suchen jemanden, der für viele Menschen kocht.“ Die Dame hinter dem PC schiebt die Maus hin und her. „Also, dit hab ick och schon imma jemacht. Ick habe immer für 15 Leute jekocht, und dit hat imma allen jeschmeckt. Die waren imma satt und zufrieden.“ Frau Schultze bemüht sich, ihren Rock über ihre ziemlich stämmigen Beine zu ziehen.

Jetzt wird die Dame hinter dem PC lebendig. „Schön, schön, aber hierbei handelt es sich um einen Großbetrieb mit über 1.000 Betriebsangehörigen und …“, sie stockt, lehnt sich zurück und schaut zum ersten Mal direkt in die Augen von Frau Schultze, „Ups, hä – äh – so, Sie sind Frau Schultze??? Also entschuldigen Sie, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber – äh, Sie sind ja nun nicht mehr so – jung und – äh … Also, ich kann und darf Sie für diese Beschäftigung nicht einstellen. Also, äh, Sie sind einfach zu – Entschuldigung, zu alt.

Frau Schultzes Gesicht färbt sich leicht rot: „Aber ick bin nich zu alt, um mir immer wieder eene Beschäftigung zu suchen oder Flaschen zu sammeln. Hören Se mal, ick bin jetzt 101 Jahre alt und seit 11 Jahren zahlt der Staat keene Rente mehr, da musste schon selber gucken, wie de so am Leben bleiben kannst. Ick muss mir ne Arbeit suchen, damit ick noch wat essen kann, oder ick muss sterben. Aber dit is och teuer, dit kann ick och nich bezahlen. Also, kommse, jeben Se mir schon dit Kochen.“

Die Dame hinter dem Schreibtisch wird unruhig, es ist ihr augenscheinlich äußerst unangenehm. „Das ist ja wirklich entsetzlich für Sie, aber es tut mir leid, ich darf Ihnen diesen Job nicht geben. Und, liebe, gute Frau Schultze, ich kann Ihnen beim besten Willen nicht helfen, ich habe für heute wirklich keinen Job mehr für Sie – mir sind die Hände gebunden. Ich habe eben auch nur meine Vorschriften.“

„Aber wat soll ick denn machen, wat meinen Se, wie schrecklich dit Leben uff de Straße is – in meinem Alter. Da tun einem schon mal de Knochen weh, kann ick Ihnen sagen. Hören Se, bevor der Winter kommt … jeben se mir ne Stelle und wenn et nur’n janz kleener Job is.“ Frau Schultze hat sich schnaufend auf den Schreibtisch gestützt, jedes Wort mit einem energischen Kopfnicken unterstützt.

„Nein ganz bestimmt nicht, ich kann nicht, ich habe nichts – da gibt es nur noch einen einzigen, aber der ist erst recht nichts für Sie.



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