Küss mich unterm Nordlicht by Wolfe Joanna

Küss mich unterm Nordlicht by Wolfe Joanna

Autor:Wolfe, Joanna [Wolfe, Joanna]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: cbt
veröffentlicht: 2015-11-09T16:00:00+00:00


Seit dem Beginn ihres Rennens war keine halbe Stunde vergangen und doch beschlich Jenny plötzlich ein mulmiges Gefühl. Ihre Unruhe lag nicht an dem Wolfsgeheul, das aus den Ausläufern der Berge zu ihr drang, und auch nicht an den dunklen Wolken, die mit dem Zwielicht am Himmel sichtbar wurden. Die Angst um Mike machte ihr zu schaffen. Wer mit der Wildnis nicht vertraut war, wurde nervös und tat oftmals etwas Unüberlegtes, wenn man ihn allein ließ, meilenweit von den nächsten Highways und Siedlungen entfernt.

Sie hätte es besser wissen müssen. Einer ihrer Gäste, ein junger Mann, war im letzten Winter mit dem Snowmobil vom Trail abgekommen und hatte in seiner Panik einfach Gas gegeben und war so lange ziellos durch die Wälder gefahren, bis kein Benzin mehr im Tank gewesen war. Sie hatten stundenlang nach ihm gesucht, bis sie den durchfrorenen Mann endlich aufgespürt hatten.

Mike war kein Feigling und gefährliche Situationen gewohnt, aber auch der junge Mann, den sie gesucht hatten, war sonst eigentlich recht cool gewesen. Wer nicht in Alaska oder Kanada aufgewachsen war, kannte die Wildnis, wenn überhaupt, nur aus Nationalparks wie Yosemite und fand sich in der grenzenlosen Weite eines unfassbar großen Landes wie Alaska nur schwer zurecht.

Die Wölfe heulten erneut. Sie ließ die Huskys noch schneller laufen, fuhr jetzt beinahe so schnell wie während des Rennens über den See. Der Lichtkegel ihrer Stirnlampe spiegelte sich auf dem Eis und ließ die aufgeworfenen Schollen abseits des Trails wie unheimliche Skulpturen erscheinen. In dem leichten Dunst, der über dem See lag, war das ferne Ufer nur schemenhaft zu erkennen. Die schlanken Bäume hoben sich dunkel gegen den Schnee ab. Bedrohlich nahe ragte der verschneite Gipfel des Mount Prindle aus dem Land.

Schon als sie das Ufer erreichte, rief sie Mikes Namen. Ihre Stimme hallte wie ein dumpfes Echo über den Schnee. Er antwortete nicht. »Mike!«, rief sie immer wieder. »Mike! Bist du okay?« Doch die einzige Antwort war das Rauschen des Windes, und als sie ihren Lagerplatz erreichte, war er tatsächlich verschwunden. »Whoaa!« Sie hielt den Schlitten an und verankerte ihn. »Ihr wartet hier«, rief sie, als sie von den Kufen stieg und den frischen Spuren des Jungen in den nahen Wald folgte. »Mike! Wo bist du? Sag doch was!«

Seine Spuren waren auch unter den Bäumen deutlich zu sehen. Man brauchte kein erfahrener Spurenleser zu sein, um zu erkennen, dass Mike überhastet in den Wald geflohen war. Sie blieb ruhig, hatte ihre Taschenlampe aus dem Anorak gezogen, um noch mehr Licht zu haben. »Mike!«, rief sie alle paar Schritte. »Hab keine Angst, Mike! Ich bin’s. Die Wölfe tun dir nichts.«

Sie erreichte eine Stelle, an der anscheinend der Blitz eingeschlagen und mehrere Bäume gefällt hatte. Zwischen den Baumstämmen, die übereinander im Schnee lagen, sah sie den roten Skianzug des Jungen blitzen. Er kauerte wie jemand auf dem Boden, der eine Explosion oder Schüsse erwartet, und zuckte heftig zusammen, als Jenny ihm eine Hand auf die Schultern legte.

»Mike! Ich bin’s, Jenny«, beruhigte sie ihn. Sie bemühte sich um einen möglichst normalen Tonfall,



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