Kükensommer by Woltz Anna

Kükensommer by Woltz Anna

Autor:Woltz, Anna [Woltz, Anna]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2015-07-30T16:00:00+00:00


Stiefküken

Am 18. Tag wurde ich von Regen geweckt, der dicht über meinem Kopf aufs Dach prasselte. Noch im Schlafanzug setzte ich mich einen Augenblick zu Merle, um ihr zu erklären, was los war. Einfach nur ein sommerlicher Regenguss, weiter nichts; sie brauchte keine Angst zu haben, die Küken konnten nicht nass werden.

Den ganzen grauen Tag mussten wir auf Nicks Gesellschaft verzichten. Er hatte seine Eltern zur Blumenauktion in Alsmeer begleitet, um tausend Irisse für eine Hochzeit mit dem Thema »Blau« zu kaufen. Evi hatte behauptet, das Brautpaar hätte dieses Motto gewählt, weil der Bräutigam seiner Zukünftigen jede Woche ein blaues Auge verpasste. Doch Nick hatte gesagt, beide würden blaue Delfine sammeln und sie hätten sich im Internet auf einer speziellen Webseite für Delfinsammler kennengelernt.

Meine Mutter war heute zu Hause, also brauchte ich nicht in Evis pitschnassem Garten zu arbeiten. Ich hatte Mama fast nie für mich allein und konnte nur selten ungestört mit ihr reden, ohne dass meine vorlauten Brüder dazwischenfunkten.

Wir saßen noch beim Frühstück, als Evi zur Hintertür hereinkam. Sie schüttelte ihren Regenschirm mitten im Zimmer aus und setzte sich an den Tisch. Eine ganze Weile musterte sie uns, ohne etwas zu sagen.

»Mögt ihr das gerne?«, fragte sie schließlich. »Zu zweit frühstücken?«

Mama und ich nickten.

»Und worüber redet ihr? Über richtigen Frauenkram? So was wie Busen und äh … Tampons?«

Schnell biss ich ein großes Stück von meinem Zwieback ab und deutete auf meinen Mund: So konnte ich nicht sprechen.

»Hat Flora schon erzählt, dass sie verliebt ist? Sie starrt Nick den ganzen Tag an!«, sagte Evi zu meiner Mutter.

Ich protestierte mit vollem Mund, doch das hinderte Evi natürlich nicht daran, weiterzureden.

»Sie guckt ihn an, wenn er sägt und wenn er eine Schaufel in den Händen hat und wenn er isst. Den ganzen Tag geht das so. Und dabei lächelt sie versonnen. Ich finde das ganz witzig, jedenfalls, solange sie nicht heiraten. Noch eine Hochzeit und …«

»Du kommst jetzt sofort mit!«, unterbrach ich Evi, packte sie bei ihrem dünnen Arm und zerrte sie hinter mir her die Treppe hinauf.

»Aber es stimmt doch! Du bist verliebt, oder?«

Von den vielen Stufen war ich so außer Puste, dass ich nicht antworten konnte. Ich schob sie rasch in mein Zimmer.

»Ich red nicht mehr mit dir.« Um das zu sagen, reichte meine Puste gerade noch. »Und jetzt schnapp dir ein Buch und sei still oder geh wieder nach Hause oder …«

»Reg dich nicht so auf! Merle will nicht, dass ihre beiden Mütter sich streiten.«

Sie nahm Die illustrierte Hühnerenzyklopädie von meinem Stapel Bücher aus der Bibliothek und legte sich zufrieden auf mein Bett. Am liebsten hätte ich irgendetwas einen kräftigen Fußtritt verpasst, womöglich sogar Evi.

Ich breitete ein paar alte Zeitungen auf dem Boden aus und stellte einen mit Körnern gefüllten Napf darauf. Wenn es derartig regnete, musste Merle ihren Spaziergang eben drinnen machen. Weil ich aber inzwischen genau wusste, wie sehr ihre brütige Kacke stank, öffnete ich schon mal das Fenster.

»Ich lese gerade, wie unsere Küken später aussehen werden«, sagte Evi. »Hör mal: Orpington-Zwerghühner sind meist ziemlich kräftig gebaut.



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