Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid by Alena Schröder

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid by Alena Schröder

Autor:Alena Schröder [Schröder, Alena]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423438865
Herausgeber: dtv


20.

Güstrow 1934

›Die Deutsche Frau kocht mit Kraut‹ war eine Sammlung von Rezepten, die Trude persönlich zusammengestellt hatte. Ein Werk, das sie mit Stolz erfüllte, denn sie hatte jedes einzelne Rezept mehrfach erproben und verfeinern müssen. Auch das war Dienst am deutschen Volke: wochenlang nichts als Weißkohl in immer neuen Varianten zu kochen und den Lieben daheim vorzusetzen. Den Wutanfall von Onkel Arthur zu ertragen, der nach dem siebten Kraut-Gericht in Folge gedroht hatte, die Weißkohlköpfe in der Vorratskammer für Schießübungen zu benutzen, wenn er noch einen Tag länger Kraut essen müsse. Und was eigentlich mit den Kartoffelvorräten sei, die Kartoffel sei schließlich auch ein deutsches Gemüse, ein magenschonendes noch dazu.

Nun, hatte Trude da spitz gesagt, da täusche er sich aber, denn die Kartoffel sei eben kein deutsches Gewächs, sondern von Friedrich dem Großen aus Amerika nach Preußen gebracht worden und daher sei die Kartoffel trotz ihrer Bekömmlichkeit, ihrer Sättigungseigenschaften und ihres Wohlgeschmacks dem Weißkohl unterlegen, jedenfalls was ihre Herkunft betreffe.

Ein gutes Thema für den anstehenden wöchentlichen Gruppenabend der NS‑Frauenschaft, befand Trude. Die Rückbesinnung auf das, was deutsche Erde hervorbrachte.

Als Ortsgruppenleiterin war Trude verantwortlich für die inhaltliche Ausgestaltung der Versammlungen, und auch wenn es reichlich Schulungsmaterial gab, schadete es nicht, den Frauen neben den Unterweisungen in Handarbeit, Haushaltsführung und Weltanschauung auch dann und wann ein wenig historischen Hintergrund zu vermitteln.

Man durfte nicht zu viel erwarten, das wusste Trude. Sie war hier unter Bauern gelandet, einfachen Leuten, die praktische Antworten auf die alltäglichen Fragen ihres Lebens brauchten. Die Frauen, die zu den Gruppenabenden ins Gemeindehaus kamen, wollten vor allem zusammen sticken und dabei den neuesten Tratsch austauschen, aber mit ›Die Deutsche Frau kocht mit Kraut‹ würde Trude gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Am Kleinen das Große erklären, am scheinbar Alltäglichen den weltumspannenden Zusammenhang. Die großen Entscheidungen mochten in Berlin getroffen werden, von mächtigen Männern, aber in der eigenen Küche konnte jede Einzelne von ihnen einen Beitrag leisten, und sei es, das richtige Gemüse zu kochen.

Als Trude zwei Jahre zuvor in die NSDAP eingetreten war, hatte sie es ihrem Onkel zunächst verheimlicht. Der hatte sich oft genug abfällig über Hitler geäußert, und es war immer noch ratsam, keinen Unfrieden zu stiften. Vor allem, seit die Großeltern tot waren und Trude mit Evelyn einfach dageblieben war, obwohl sie nun keine richtige Aufgabe mehr hatte. Da war es ihr wie eine Fügung des Schicksals vorgekommen, dass ausgerechnet Doktor Scharnow, der Arzt, der zuerst am Unfallort ihres Bruders gewesen und ihr, ohne es zu ahnen, die Todesnachricht überbracht hatte, die Parteimitgliedschaft nahegelegt, geradezu ärztlich verordnet hatte. Mit dem Hinweis, dass Frauen ihrer Qualifikation gebraucht würden für diesen nationalen Aufbruch. Dass Trude eine Führungspersönlichkeit sei, wie es sie in diesem Landstrich nicht so häufig gebe. Und so war Trude mit dem Aufbau einer Ortsgruppe der NS‑Frauenschaft betraut worden.

Endlich kam wieder Ordnung in die Dinge. Alles fügte sich, alles ergab wieder einen Sinn. Die Stimmen aus dem Volksempfänger sprachen direkt zu ihr, dieses Gerät war wie ein geheimes Portal in eine andere Welt, und Trude war



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