Julia: Mein Leben zwischen den Geschlechtern (German Edition) by Julia Prillwitz & Nina Job
Autor:Julia Prillwitz & Nina Job [Prillwitz, Julia]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: mvg Verlag
veröffentlicht: 2015-03-29T16:00:00+00:00
In der Villa Gloria
Ich zog nun zu Stefan. Er lebte auf einem großen Gestüt, der Villa Gloria, nahe der Via Flaminia – diese alte Straße verbindet Rom schon seit der Antike mit der Adriaküste. Dort arbeitete er als Reitlehrer und wohnte über einem Pferdestall in einem einfachen, rustikal eingerichteten Apartment. Ich mochte den intensiven Geruch von frischem Heu, und mir gefiel dieses einfache, romantische Leben.
Ich trug seine Hemden, die mir viel zu groß waren, und trank aus demselben emaillierten Blechbecher wie er – er besaß nur diese eine Tasse. Wenn er morgens den Kaffee hineingoss, wurde sie so heiß, dass ich sie kaum halten konnte.
»Aspetta, amore mio«, »Warte, meine Liebste«, sagte er jeden Morgen zu mir. Dann pustete er erst einmal lange, bis der Kaffee etwas abkühlte, bevor er die Tasse an mich weiterreichte. Diese fürsorgliche Geste liebte ich.
Meine Sachen, die ich auf die Rom-Reise mitgenommen hatte, hatte ich bei mir, aber die Dinge, die ich im Internat in Portugal zurückgelassen hatte, waren für mich verloren. Stefan ging mit mir einkaufen und kleidete mich komplett neu ein.
Bei einem unserer Spaziergänge blieb ich vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäfts stehen und bewunderte die schicken, ausgefallenen italienischen Modelle. Er nahm mich an der Hand und führte mich in das Geschäft. Dann durfte ich alle Schuhe anprobieren, die mir gefielen, es war bestimmt ein Dutzend. Geduldig sah er mir dabei zu. In dieser Zeit waren bei den italienischen Frauen Overknee-Stiefel sehr gefragt. Aber mir gefiel ein Paar bordeauxfarbene Stiefeletten am besten. Die Schuhe hatten Pfennigabsätze aus Metall und sahen ein bisschen nuttig aus, aber ich fand sie fantastisch. Stefan kaufte mir die Schuhe. Ich zog sie sofort an, und bei jedem Schritt klackten die metallenen Absätze auf dem Pflaster. Als mir die Füße wehtaten, weil sie ungewohnt hoch für mich waren, hob er mich hoch und trug mich wie eine Braut in seinen Armen.
Schließlich kam der Tag, an dem wir miteinander schlafen wollten. Wir lagen im Bett, streichelten und küssten uns.
»Du hast mich schon verstanden?«, fragte ich, um sicherzugehen und keine böse Überraschung zu erleben. »Du weißt, dass ich ein Trans bin? Und nicht operiert?«
Stefan stutzte und wirkte ein bisschen erschrocken. Sein Boris, wie wir seinen Penis nannten, war tot. Er brauchte eine Pause.
»Aber ich habe dir doch gesagt …«, fuhr ich fort, doch er unterbrach mich: »Ich dachte, du machst Witze. Ich dachte, dass du dich nur ein bisschen interessanter machen wolltest.«
*****
Ich wusste, dass ich ihm Zeit geben musste, aber ich spürte auch, dass ich bei ihm sein konnte, was ich war. Denn seine Lust wurde nicht von seinem Kopf beherrscht.
Nach einer Weile, in der wir still nebeneinandergelegen hatten, begannen wir uns wieder zu küssen und zu streicheln. Dann habe ich ihm einen geblasen. Meinen Penis hat er nicht angefasst in dieser Nacht. Es dauerte Wochen, bis er es zum ersten Mal tat. Wir lagen in Löffelchenstellung aneinandergeschmiegt nackt im Bett, und seine Hand lag auf meiner Taille, mein Arm ruhte vor meinem Bauch. Da fragte er zaghaft: »Darf ich anfassen?«
»Ja«, antwortete ich, woraufhin seine Hand von meiner Taille in Richtung Penis wanderte.
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