Jugenderinnerungen und Bekenntnisse by Heyse Paul
Autor:Heyse, Paul
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
* * *
An eine Besteigung des Vesuvs hatte ich nicht denken können, so lange Freund Ribbeck bei mir war, da wir ihn der Anstrengung nicht gewachsen glaubten. Als nun auch Scheffel mich verlassen hatte, fühlte ich mich nicht mehr dazu aufgelegt, das Abenteuer allein zu bestehen, sondern ließ den alten Wolkenversammler in Hoffnung eines späteren besseren Glücks hinter mir, zu dem es niemals kommen sollte.
In gleicher Hoffnung, die ebensowenig späterhin sich erfüllt hat, hatte ich auch auf Sizilien verzichtet. Je höher die Sonne stieg, je rascher schmolz mir das Gold im Beutel. Auch stand ich im Dienst der Troubadours, denen ich weder in Palermo noch in Messina und Taormina zu begegnen Aussicht hatte. So fuhr ich am Pfingstmontag früh von Neapel fort, in einem überfüllten Postwagen (ein fetter Prete, ein englisches Ehepaar, ein Kapuziner, drei barmherzige Schwestern) den nun schon bekannten Weg über Capua, Sant' Agata und Molo di Gaeta, diesmal aber rascher als auf der Herfahrt, da wir Terracina schon am Abend des ersten Tages bei Mondschein und Illumination durch Lucciole erreichten. Am Nachmittag des 17. traf ich dann den Onkel und Freund Ribbeck, die mir bis Albano entgegengekommen waren. Wir schlenderten erst durch die schöne Villa Torlonia und die sehr verwilderte des Fürsten Barberini (olim ein Palast Domitians) und fuhren dann die vier Stunden lange Straße durch das Heideland nach Porto d'Anzio, wo Seine Heiligkeit der Papst ein paar Sommermonate zuzubringen pflegte. Auch wir begegneten ihm mit der Guardia nobile und sonstigem Gefolge, wie er im roten Hut und langem weißem Gewande vom alten Hafen herüber sehr rüstig nach seiner Villa schritt.
Infolge dieses hohen Gastbesuchs war für uns niedere Sterbliche kein Unterkommen in Porto d'Anzio zu finden. Wir mußten eine Miglie weiter nach Nettuno wandern, wo uns der alte Gemahl einer dicken Kaffeewirtin in seinem Hause Herberge gab und mir und Otto sein eigenes Ehebett abtrat, während der Onkel mit einem Lager auf einem Sofa vorlieb nahm. Die Nichte der Padrona, ein feines, schnippisches Ding, sorgte für unsere frugale Cena, während die ihre nur aus rohem Salat ohne Öl und die ihrer Magd aus gekochten Seeschnecken bestand. Um sie zu essen, zog sie eine Nadel aus ihrem sehr unfrisierten Haar und holte damit die einzelnen frutti di mare aus ihren Häuschen. Auch im übrigen war dieses malerische Strandnest von aller modernen Kultur noch unangekränkelt. Auf unsere Frage nach einer gewissen Bequemlichkeit wurde uns achselzuckend, aber wie selbstverständlich erwidert: Si fa in strada.
Nach wohldurchfrorener Nacht wendeten wir den hellen Tag dazu an, Porto d'Anzio in seinem päpstlichen Glanze zu betrachten, und landeten abends wieder in Albano. Onkel fühlte sich matt und ging zu Bette, bestand aber darauf, sich die »Arrabbiata« vorlesen zu lassen.
Am andern Morgen war er vor Tau und Tage plötzlich verschwunden und nach Rom zurückgekehrt. Wir beide schickten unser Gepäck nach Frascati voraus und genossen die nächsten Tage auf einer Leib und Seele erquickenden Wanderung durch Ariccia, Genzano, um den Monte Cavo herum nach Rocca di Papa und Grotta Ferrata, bis wir durch die herrliche Ulmenallee, stets von Nachtigallen begleitet, das reizende Frascat erreichten.
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