Judiths Liebe by Shalev Meir

Autor:Shalev, Meir [Shalev, Meir]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257604023
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2014-12-28T16:00:00+00:00

[204] 4

Eine Zeitlang ließ der Sojcher den Lieferwagen auf Jakobis und Jakobas Hof stehen und inspizierte ihn jedesmal, wenn er ins Dorf kam.

»Er muß sich an mich gewöhnen«, erklärte er, weil er nicht zugeben wollte, daß er nicht fahren konnte.

Als alle anfingen, ihn zu verspotten, faßte der Sojcher Mut und begann sich auf Feldwegen das Fahren beizubringen. Bald schon sah man auf den Feldern Springbrunnen aufschießen, die die kaputtgefahrenen Schieber markierten. Nachdem er einen Esel erledigt, ein Wassermelonenbeet verwüstet und drei Apfelbäume abgebrochen hatte, wurde er gewarnt, das Dorfkomitee werde ihn für vogelfrei erklären, wenn er sich keinen Lehrer nähme.

Anwärter meldeten sich eilends, doch Globermann wählte ohne Zögern Oded Rabinowitz, der damals erst elf Jahre alt, aber bereits in der ganzen Gegend für seine Fahrkünste berühmt war.

Naomi sagte mir, ihr Bruder hätte sich nur dazu in die erste Klasse bequemt, um bald Motor, Auto und Traktor lesen und Briefe an die Importeure von Rio und International schreiben zu können. Und tatsächlich – Oded las über Autos, dachte an Motoren, träumte von Kraftübertragung und dem Verhältnis von Kompression und Transmission mit dermaßen sehnlichem Eifer, daß er von selbst fahren lernte, ohne je in einem Auto gesessen zu haben, denn im Geist hatte er schon jede Handlung tausendmal durchexerziert: Er schaltete, kuppelte, beschleunigte, verlangsamte, bremste und bog ab, und all das mit der zähen Ausdauer von Liebenden, die sich an ihren Sehnsüchten delektieren und auf deren Verwirklichung vorbereiten.

»Wenn du weiter dauernd Motorgebrumm machst, kriegst du zum Schluß Negerlippen«, warnte ihn Onkel Menachem.

Aber Oded schlug seine Warnungen in den Wind und diskutierte als Achtjähriger bereits mit verblüfften Erwachsenen über [205] die Vorzüge und Nachteile von Luft- und Wasserkühlung, V- und Umdrehungsmotoren. In jenen Tagen kam Arthur Ruppin zu Besuch ins Dorf, und Oded machte sich den allgemeinen Tumult zunutze. Während der Funktionär noch kränzchengeschmückte Kinder küßte und sein Fahrer Rivka Scheinfeld anzusprechen versuchte, stahl er sich zu dem langen Ford, startete und nahm Reißaus in die Felder.

Er lenkte den Wagen wie ein alter Hase, machte sogar eine Kehrtwendung, sprühte Erde, vollführte ein paar Kunststückchen und wirbelte Staubwolken auf. Zum Schluß ließ er ihn in einer Pflanzung stehen, flüchtete im Laufschritt in den Eukalyptuswald und kam erst am nächsten Morgen zu Fuß wieder, da er nicht ahnte, wieviel Stolz und Bewunderung er im Herzen all seiner Zuschauer geweckt hatte, und eher fürchtete, man würde ihn lynchen.

Jetzt versuchte er Globermann die Kunst des Fahrens beizubringen, und der befolgte all seine Anweisungen.

»Ein Kraftwagen ist keine Kuh, Globermann!« hörte man seine dünne Stimme aus dem Lieferwagen gellen, als der Sojcher vom Weg in den Acker abkam. »Man dreht ihm nicht den Schwanz, er hat ein Steuerrad!«

Zum Glück des Sojchers war der grüne Kleinlaster mit seinen sechs langsamen Riesenkolben und den drei langen Gängen äußerst geduldig. Der Motor erstickte nie, und das dicke Blech war stark genug, die meisten Prüfungen und Karambolagen zu überstehen, die sein neuer Besitzer ihm zumutete.

Und zu dessen Gunsten sei angefügt, daß der Sojcher alles in allem ein gesetzestreuer Mensch war. Er begnügte sich

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