Judenmord, Frauenmord, Heilige Kirche by Rudolf Krämer-Badoni
Autor:Rudolf Krämer-Badoni [Krämer-Badoni, Rudolf]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105608210
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2016-03-18T16:00:00+00:00
Perversionen am Sabbat
Katharós – das griechische Wort bedeutet »rein«. Die Kátharer bezeichneten sich selbst als die Reinen. Doch die Kirche sah in ihnen die Allerunreinsten, Lichtscheue, die sich nachts zu blasphemischen Gottesdiensten versammelten. Ihr Gott sei der Teufel, und der habe, wie man aus der Offenbarung weiß, die Synagoge zu seinen Feierlichkeiten am Sabbat im Besitz. So fänden denn die Satansdienste der Katharer am Sabbat statt, an irgendeinem Platz, Synagoga Satanae, und dort erscheine der Teufel in menschlicher oder tierischer Gestalt, alle küßten ihm den Hintern, beteten ihn an, fräßen geschlachtete Kinder, die man nachts ihren Ammen entrissen habe, und sie vermischten sich in widernatürlicher und inzestuöser Unzucht. Aus dem Namen Katharer wurde regional Gazarii für Hexen und generell Ketzer für Glaubensfrevler.
In Wirklichkeit lehrten die Katharer (auch Patarener, Albigenser – nach der Stadt Albi – und Neumanichäer genannt), daß dem allgütigen Gott der satanische Welt- und Materieschöpfer gegenüberstehe; folglich könne Christus keinen irdischen materiellen Leib gehabt haben. Nur durch Askese und Ehelosigkeit könne man die böse Materie überwinden. Die Katharer verachteten die Kirche, ihr einziges heiliges Buch war das Johannesevangelium. Trotz der Inquisition und der Ausrottungen während der Albigenserkriege (1209–1229), die von Ludwig VIII. und Ludwig IX. zwecks Annexion Südfrankreichs betrieben wurden, hielten sich kleine Gruppen der Katharer in Südfrankreich und in Italien im Untergrund bis ins 15. Jahrhundert.
Die Waldenser, von Pierre Valdès um 1175 gegründet, nannten sich »die Armen von Lyon«. Sie waren als Laienprediger und Büßer zunächst im Einklang mit der Kirche. Allmählich aber predigten sie immer heftiger gegen die reiche, verderbte Hierarchie, die entwerteten Lehren und Sakramente, den Heiligen- und Reliquienkult, den Ablaßbetrieb, die Erhebung des Zehnten, die unchristliche Todesstrafe. Im Jahr 1184 wurden sie von Lucius III. als Ketzer gebannt und verfolgt. Sie flüchteten zu ihren norditalienischen Genossen in savoyische und piemontesische Alpentäler. Ihre Ausrottung gelang nie vollständig. Heute gibt es in Italien und in Südamerika rund 50000 Mitglieder der waldensischen Kirche; in Rom unterhalten sie eine theologische Fakultät.
Vom Namen der Waldenser stammt einer der französischen Namen für das Hexenwesen: Valderie, Vauderie. Auch diesen Sektierern wurde also die Schandtat der Teufelsanbetung nachgesagt.
Es versteht sich von selbst, daß beide Sekten satanischer Umtriebe beschuldigt wurden und aus Angeklagten beider Richtungen Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Zauberpraktiken und Massenversammlungen (zu denen man natürlich von weit her zusammenkommen mußte, und wie? Ganz einfach: durch den Flug zum Ketzersabbat) herausgefoltert wurden. Das war vor allem bei den Katharern mit ihrem Gegengott Satan die fast zwangsläufige Folge.
Bei einer solchen Masse von Ketzern sah sich die Kirche zu neuartigem Durchgreifen genötigt. Die Ketzerei (Häresie = von der offiziellen Lehre abweichend) wurde der Apostasie (totaler Abfall vom Glauben) gleichgestellt und wieder wie unter den ersten christlichen römischen Kaisern zu einem todeswürdigen Verbrechen erklärt, zu einem Majestätsverbrechen. Wieso? Gegen die Majestät Gottes. Zur Todesstrafe bedurfte es natürlich der willigen Ausführung durch die Regierungen. Das war kein Problem, die Herrschenden waren sich längst darüber im klaren, was zur Aufrechterhaltung der Ordnung nötig war und daß man das sequestrierte Gut der Verurteilten (in Frankreich sogar ganze Provinzen) gut brauchen konnte.
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