Journalistin ist man immer by Fides Krause-Brewer

Autor:Fides Krause-Brewer [Krause-Brewer, Fides]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-89479-691-4
Herausgeber: Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00

Bomben auf Innsbruck

Nach Innsbruck zurückgekehrt, arbeitete ich weiter an meiner Sechswochenarbeit. Von den Kriegsereignissen und der politischen Entwicklung nahm man nur wenig wahr. Innsbruck war eine Insel der Seligen für uns Studenten. Eine Gruppe von Medizinern, die Urlaub vom Wehrdienst bekommen hatten, um ihre Ausbildung abzuschließen und so schnell wie möglich als Ärzte an der Front zur Verfügung zu stehen, ein behinderter Chemiker und einige Volkswirte hatten sich zusammengefunden. Wir fuhren Ski auf dem Patscherkofel, wanderten durchs Stubaital und saßen jeden Abend in einer anderen Kneipe, denn jeden Tag bekam ein anderes Etablissement eine kleine Lieferung Wein, den es dann ausschenken konnte.

So haben wir auch das herbeigesehnte Attentat auf Hitler und dessen entsetzlichen Ausgang gar nicht mitbekommen. Erst später habe ich erfahren, wie sehr der Rachefeldzug der Nazis auch den Umkreis meiner Familie bedrohte. Mancher Freund verschwand plötzlich spurlos, und die Angst, man könne ins Visier der Gestapo geraten, führte zu dem Entschluss, lieber gar nicht mehr mit gleichgesinnten Freunden und Bekannten zusammenzukommen.

Aber auch für das friedliche Innsbruck kam schließlich das schreckliche Ende. Es war ein schöner Sommertag. Ich stand in der Mittagspause unweit der Universität auf der Maria-Theresien-Straße – glücklicherweise vor dem Torbogen eines großen Brauhauses – und schaute in den blauen Himmel auf einen Pulk von amerikanischen Boeing B-29 Superfortresses, die auf Innsbruck zuflogen – wie eigentlich immer, wenn sie sich über der Stadt zum Angriff auf München sammelten. Plötzlich sah ich: »Mein Gott, die klinken ja ihre Bomben aus!« Ich hatte gerade noch Zeit, in das Gemäuer des Brauhauses zu flüchten, da war bereits das furchtbare Krachen und Pfeifen der aufschlagenden Bomben zu hören. Als ich mich von dem Entsetzen ein bisschen erholt hatte und aus meinem Schutzgewölbe hervortaumelte, lag die schöne Innsbrucker Hauptstraße in Trümmern, verzweifelte Menschen liefen hin und her und suchten unter Staub und Trümmern nach Verletzten. Einige Häuser begannen zu brennen. Was konnte ich tun? Mein einziger Gedanke war, so schnell wie möglich diesem Inferno zu entkommen. Ich schlug mich über zerstörte Straßen bis zum Stadtrand durch und begann mit wackelnden Knien den Aufstieg nach Igls, denn unsere kleine Bahn fuhr natürlich nicht mehr.

Ich dachte daran, welche Sorgen sich meine Mutter wohl machen würde, wenn sie von dem Angriff auf Innsbruck erfuhr, aber es gab tagelang keine Möglichkeit, irgendein Lebenszeichen zu geben. Die Telefonleitungen waren zerstört, und der Bahnhof lag in Schutt und Asche. So blieb nichts anderes übrig, als auf meinem Bergdorf zu sitzen und abzuwarten. Nach ein paar Tagen erschien mein Stiefbruder Klaus Vetter – von der Mutter ausgeschickt –, um nach mir zu sehen. Mittlerweile wusste ich, dass die Uni weitgehend zerstört war und der Lehrbetrieb eingestellt werden musste. Nach langen Beratungen mit Klaus kamen wir zu dem Ergebnis, dass es wenig Sinn haben würde, in der zerstörten Stadt auszuharren und zu warten. Auf was denn auch? Dass die Uni in absehbarer Zeit wieder funktionieren würde, war äußerst unwahrscheinlich. Und so packte ich, als die Eisenbahn wieder fahren konnte, schweren Herzens meine Koffer und fuhr zu meiner Mutter nach Münsing – zumal ich im fünften Monat schwanger war.

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