Joli Rouge (German Edition) by Fischer Alexandra

Joli Rouge (German Edition) by Fischer Alexandra

Autor:Fischer, Alexandra [Fischer, Alexandra]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-05-04T22:00:00+00:00


Kapitel 7

Cayamanes Inseln, südlich von Kuba, Sommer 1662

»Gebt ihm Rum!«, forderte der Mann mit der rotgeäderten Nase in scharfem Tonfall. Seine teigigen Hände steckten im Mund von Levache, der aus Leibeskräften schrie. Blut lief ihm über das Kinn und tropfte auf die verschwitzte Brust.

Jan schüttelte den Kopf. »Seit dieser inciseur bei uns an Bord is´, vergeht kein Tag ohne Gemetzel! Es is´ schlimmer als im Krieg.«

Er warf Jacquotte einen kurzen Blick zu und betastete vorsichtig seine Schneidezähne. »Wackeln nur n´ bisschen“, stellte er fest.

»Vor fünf Tagen hat er ihm zermahlene Regenwürmer in den Zahn gestopft und mit Wachs versiegelt. Er sagte, der Zahn würde dann von selber ausfallen.« Crochu schnaubte verächtlich, denn offensichtlich hatte diese Methode keinerlei Wirkung gezeigt.

Jacquotte grinste und lehnte sich gegen die mit Tabak gefüllten Säcke, die wegen der Feuchtigkeit im Bauch des Schiffes im vorderen Teil des Decks gelagert wurden. Ihre Wunden zuckten beim Anblick des gequälten Levache. Die vergangenen beiden Wochen waren die ersten gewesen, die sie mit wenigen Schlucken Rum am Tag überstanden hatte. Der Wundarzt, der sich sein fragwürdiges Können angeblich in der Nähe von Nantes angeeignet hatte, wurde nicht müde, faules Fleisch aus ihr herauszuschneiden. Eine Prozedur, die sie nur im berauschten Zustand bereit war zu ertragen. Auch wenn es sie selbst dann an die Grenzen dessen brachte, was sie auszuhalten vermochte, ohne das Bewusstsein zu verlieren. Einzig den Aderlass hatte Tête-de-Mort verboten durchzuführen, und Jacquotte war dankbar dafür. Besonders wenn sie die scharfen Lanzetten sah, die denen in die Arme getrieben wurden, die über schwache Lungen oder fieberhafte Geschwüre klagten.

Es folgte ein schmatzendes Geräusch, untermalt von einem markerschütternden Schrei, und der Zahn von Levache kullerte über das Deck. Er sah wie ein bräunlicher Stein aus und wurde sofort von den drei Schweinen inspiziert, die als lebender Proviant über das Schiff spazierten. Der inciseur, der sich selbst Ambroise nannte, zog geräuschvoll die Nase hoch und ließ sich zufrieden neben seinen Patienten sinken.

»Wer ist der Nächste?«, rief er, doch ehe sich Jacquotte versah, war sie die Einzige, die es nicht geschafft hatte, sich von Bord zu machen. Ambroise lachte und präsentierte die wenigen Zähne, die nach diversen Selbstbehandlungen in seinem Mund verblieben waren. Jacquotte erhob sich und blickte den Männern hinterher, die lautstark an Land wateten.

Die Fortune Noire ankerte in seichtem Gewässer. Bei Ebbe saß sie auf einer Sandbank auf, die der Mannschaft als Trockendock diente und dazu genutzt wurde, das Schiff zu reparieren sowie seine Unterseite von Muscheln und dem gefürchteten Holzwurm zu befreien. Jacquotte mochte die Cayamanes Inseln. Tête-de-Mort kam stets in den Sommermonaten her, um Schildkröten zu jagen. Die gewichtigen Tiere schleppten sich jede Nacht an Land, um in dem feinen Sand ihre Eier abzulegen. Waren sie einmal auf den Rücken gedreht, konnten sie nicht mehr entkommen und man hatte Zeit, sie zu zerlegen und einzusalzen. Das sicherte ihnen über den Rest des Jahres einen Teil der Verpflegung. Trotz des guten Geschmacks musste man darauf achten, nicht übermäßig von dem Fleisch zu essen, da es einem das Öl aus den Poren trieb und die Glieder schmerzen ließ.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.