Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman by Goetz Rainald
Autor:Goetz, Rainald [Goetz, Rainald]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2012-10-29T23:00:00+00:00
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Die kleinen Gesellschaften, die Kate Assperg auf Schloss Redecke am Bokersee, dem Landsitz der Asspergs etwas außerhalb von Schönhausen, einmal im Monat gab, Samstagmittag, als sogenanntes kleines Frühstück, waren für die Schönhausener Gesellschaft der wichtigste monatliche Termin, das einzige regelmäßige Sozialevent von Interesse für alle. Niemand sonst in der Stadt hatte eine so starke Ausstrahlung auf die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen von Politik, Kultur und Wirtschaft zugleich wie die Asspergs. Und Kate Assperg beherrschte zwar nicht wirklich die höhere Kunst der Geselligkeit, aber die Fähigkeit, ihre Einladungen mit einer diffus generalisierten Leuchtkraft aufzuladen, hatte sie sich beigebracht. Sie wusste genau, wen sie wann einladen musste, wer zu wem passen könnte, wer mit wem in Verbindung gebracht werden wollte oder sollte, und natürlich auch, wen sie, zumindest temporär, von ihren Einladungen ausschließen musste, um die Attraktivität ihres Frühstücks zu steigern. Manchmal gab es ein kurzes Konzert als Beigabe, manchmal ein Kurzreferat zu theologischen oder philosophischen Themen, und immer gab es Frühstück, Sekt, Kaffee und Gespräche im Stehen und Herumgehen, Informationen und Begegnungen, ein höchstkonzentriertes Schönhausen der Arrivierten und Kommenden, auf zwei, drei Stunden zusammengedrängt. Aus der Firma wurden als Sondergäste jedesmal auch Hilfsarbeiter, Packerinnen und LKW-Fahrer dazugebeten, das gefühllos Volkserzieherische daran hatte einen Hau ins Plumpe, Asoziale, wie Kate Assperg auch. Für die regelmäßig eingeladenen Manager aus dem Führungskreis der Firma bestand selbstverständlich Anwesenheitspflicht, das Frühstück war für sie ein nicht unbeliebter, aber auch gefürchteter Termin, weil dort der aktuelle Kurswert eines jeden an der Gunstkursbörse von Kate Assperg öffentlich und überdeutlich vorgeführt wurde.
Die Ankunft der Gäste war offiziell für ab elf Uhr vorgesehen. Aber weil der betont informelle Charakter des Frühstücks der Gastgeberin umso wichtiger geworden war, je offiziöser er sich in Wirklichkeit entwickelt hatte, wurde erwartet, dass die Eingeladenen mit dem Zeitpunkt ihres Eintreffens ein ausreichendes Maß an Lockerheit demonstrieren würden. Es galt als unüblich, vor zehn nach elf zum Frühstück bei Kate Assperg zu erscheinen. Wer pünktlich um elf Uhr kam, stand, vom Personal kühl hereingebeten, unbegrüßt und einsam mit dem Drink in der Hand da, und die kitschtosenden Wände um ihn herum sagten: »Stell dich in die Mitte dieses Saals und warte hier.« Ab fünf, sechs, sieben Minuten nach elf Uhr kamen die Autos dann vorgefahren. Das asspergsche Anwesen lag in den Hügeln über dem Bokersee am Rand von Redecke. Die kleinen Straßen, die vom See nach Redecke hochführten, waren eng gewunden und an diesem Samstag von schmutzigem Schneematsch bedeckt. Nachts hatte es geschneit, jetzt regnete es.
Zwischen Bokel und Redecke war eine Senke, deren Rand Holtrops Ehefrau Pia Holtrop in dem Moment erreichte, als Salger, der heute zum ersten Mal eingeladen war, mit seinem Auto dort gerade stecken geblieben war. Sie hielt an, ließ die Fensterscheibe nach unten fahren und setzte ihre Sonnenbrille auf. Salger stand am Heck seines Autos im Matsch. Die Reifen hatten hochtourig durchgedreht und dabei tief in den Boden eingeschnitten, so dass es Salger kaum mehr möglich war, den Wagen aus eigener Kraft dort wieder herauszufahren. »Kann ich Ihnen helfen?« sagte Pia Holtrop. »Vielleicht. Haben Sie ein Seil da?« antwortete Salger.
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