Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief by Henning Mankell

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief by Henning Mankell

Autor:Henning Mankell
Die sprache: eng
Format: mobi
veröffentlicht: 2013-10-16T00:00:00+00:00


12

Mit einem Ruck wurde Joel wach. Er war am Küchentisch eingeschlafen, während er auf Samuel wartete. Wie spät es war, wusste er nicht. Aber jetzt hörte er Schritte auf der Treppe. Das konnte niemand anders als Samuel sein. Joel stand auf. War Samuel nüchtern oder nicht? Die Tür wurde aufgerissen. Joel ließ sich erleichtert auf den Stuhl sinken. Samuels Augen waren nicht rot. Er schwankte nicht. Er kam spät. Aber er hatte nicht getrunken. »Du bist noch auf?«, fragte er erstaunt.

Joel fragte sich, wie blöd Samuel eigentlich war. Hätte er schlafen gehen sollen, bevor Samuel zu Hause war? Er musste ihm dringend seine Meinung sagen.

»Wie hätte ich schlafen können, wenn du draußen rumrennst?«

»Was heißt draußen rumrennen«, antwortete Samuel. »Ich war bei Sara und hab versucht, mich mit ihr auszusprechen.«

Gespannt wartete Joel auf die Fortsetzung. Aber Samuel sagte nichts mehr. Joel überlegte besorgt, ob Sara erzählt hatte, dass er selbst dort gewesen war. Er wusste nicht, wie Samuel darauf reagieren würde. Ihm passte es häufig nicht, wenn sich jemand in das einmischte, was er tat. Darin waren er und Joel sich ähnlich.

Samuel hatte seine Jacke aufgehängt und sich die Stiefel von den Füßen gestreift.

»Wie spät ist es?«, fragte Joel.

»Es ist wahrscheinlich schon nach Mitternacht«, antwortete Samuel. »Wir müssen beide schlafen, damit wir morgen auf der Höhe sind.«

Samuel schien nicht mehr so bedrückt zu sein wie gestern.

»Wie war es?«, fragte Joel vorsichtig.

Samuel zuckte mit den Schultern.

»Sie findet, wir passen nicht zusammen«, sagte er. »Vielleicht hat sie Recht? Obwohl ich es nicht verstehe.«

Joel sagte nichts. Sara hatte offenbar nicht verraten, dass er bei ihr gewesen war. Sonst hätte Samuel es schon gesagt. Er war noch mal davongekommen.

»Wir haben uns jedenfalls nicht angeschrien«, sagte Samuel. »Ich hab Mittag gegessen und wir haben uns in aller Ruhe unterhalten. Aber es bleibt wohl dabei. Wir beide, du und ich, sind wieder allein.«

Das sind wir die ganze Zeit gewesen, dachte Joel. Du konntest zu Sara gehen. Ich nicht.

Samuel gähnte. »Morgen reden wir weiter«, sagte er. »Jetzt müssen wir schlafen. Das Essen, das du heute gemacht hast, können wir morgen essen.«

Gemeinsam stellten sie die Töpfe in den Speiseschrank. Dann wusch Joel sich rasch und kroch in sein Bett. Trotzdem war es eine Erleichterung. Samuel war nicht betrunken. Es gab nichts Schlimmeres als das. Nichts.

Als Joel am nächsten Tag in die Schule kam, erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Jemand hatte ihn gestern auf der Straße gesehen. Frau Nederström rief ihn nach vorn zum Katheder, als sie mit dem Morgenchoral fertig waren. »Warum warst du gestern nicht in der Schule?«, fragte sie streng.

»Ich war krank«, antwortete Joel.

Sie wurde ganz weiß vor Zorn. »Willst du mir geradewegs ins Gesicht lügen?«, schrie sie. »Der Oberlehrer hat dich gestern Morgen beim Kiosk gesehen.«

Joel überlegte rasch, ob er sagen sollte, er sei auf dem Weg zum Arzt gewesen. Aber er ließ es. Das war nur allzu leicht nachzukontrollieren. Darum sagte er nichts. Er sah auf den Fußboden. Hinter ihm saß die Klasse in angespanntem Schweigen. Sehen konnte er es nicht. Aber er wusste, dass es so war.



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