Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer by Michael Ende
Autor:Michael Ende [Ende, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Fantasy, Children's Literature; German
ISBN: 9783522176507
Google: Vz8HMwAACAAJ
Amazon: B003BVM1LG
Herausgeber: Thienemann Verlag
veröffentlicht: 1971-01-01T23:00:00+00:00
Siebzehntes Kapitel
in dem der Scheinriese seine Eigenart erklärt und sich dankbar erweist
Herrn Tür Türs Oase bestand aus einem klaren, kleinen Teich, in dessen Mitte eine Quelle wie ein Springbrunnen plätscherte. Rundherum wuchs frisches saftiges Grün, und mehrere Palmen und Obstbäume hoben ihre Wipfel in den Wüstenhimmel. Unter diesen Bäumen lag ein niedriges, blitzsauberes, weiÃes Häuschen mit grünen Fensterläden. In einem kleinen Garten vor der Haustür zog der Scheinriese sogar Blumen und Gemüse.
Lukas, Jim und Herr Tür Tür setzten sich in der Stube um den runden Holztisch und aÃen zu Abend. Es gab verschiedene leckere Gemüsesorten und zum Nachtisch einen herrlichen Obstsalat.
Herr Tür Tür war nämlich Vegetarier. So nennt man Leute, die niemals Fleisch essen. Herr Tür Tür war ein groÃer Tierfreund, und deshalb mochte er keine Tiere töten und aufessen. Daà die Tiere trotzdem vor ihm flohen, weil er eben ein Scheinriese war, das stimmte ihn oft sehr traurig.
Während die drei friedlich um den Tisch saÃen, stand die alte Emma drauÃen neben dem Springbrunnen. Lukas hatte die Kuppel hinter ihrem Schornstein aufgeklappt, und nun lieà sie behaglich das frische Wasser in ihren Kessel hineinplätschern. Sie war ziemlich durstig von der groÃen Hitze des Tages. Nach dem Essen zündete sich Lukas seine Pfeife an, lehnte sich zurück und sagte:
»Danke für die gute Mahlzeit, Herr Tür Tür. Aber nun bin ich gespannt auf Ihre Geschichte.«
»Ja«, drängte Jim, »erzählen Sie doch bitte!«
»Nun«, meinte Herr Tür Tür, »da ist eigentlich nicht viel zu erzählen. Eine Menge Menschen haben doch irgendwelche besonderen Eigenschaften. Herr Knopf zum Beispiel hat eine schwarze Haut. So ist er von Natur aus, und dabei ist weiter nichts Seltsames, nicht wahr? Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Leute nicht. Wenn sie selber zum Beispiel weià sind, dann sind sie überzeugt, nur ihre Farbe wäre richtig, und haben etwas dagegen, wenn jemand schwarz ist. So unvernünftig sind die Menschen bedauerlicherweise oft.«
»Und dabei«, warf Jim ein, »isâ es doch manchmal sehr praktisch, eine schwarze Haut zu haben, zum Beispiel für Lokomotivführer.«
Herr Tür Tür nickte ernst und fuhr fort: »Sehen Sie, meine Freunde: Wenn einer von Ihnen jetzt aufstünde und wegginge, würde er doch immer kleiner und. kleiner werden, bis er am Horizont schlieÃlich nur noch wie ein Punkt aussähe. Wenn er dann wieder zurückkäme, würde er langsam immer gröÃer werden, bis er zuletzt in seiner wirklichen GröÃe vor uns stünde. Sie werden aber zugeben, daà der Betreffende dabei in Wirklichkeit immer gleich groà bleibt. Es scheint nur so, als ob er erst immer kleiner und dann wieder gröÃer würde.« »Richtig!«sagte Lukas.
»Nun«, erklärte Herr Tür Tür, »bei mir ist das einfach umgekehrt. Das ist alles. Je weiter ich entfernt bin, desto gröÃer sehe ich aus. Und je näher ich komme, desto mehr erkennt man meine wirkliche Gestalt.«
»Sie meinen«, fragte Lukas, »Sie werden gar nicht wirklich kleiner, wenn Sie näher kommen? Und Sie sind auch nicht wirklich so riesengroÃ, wenn Sie weit entfernt sind, sondern es sieht nur so aus?«
»Sehr richtig«, antwortete Herr Tür Tür. »Deshalb sagte ich; ich bin ein Scheinriese.
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