Jesus der Kapitalist by Groezinger Robert
Autor:Groezinger, Robert [Groezinger, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-12T00:00:00+00:00
Skeptische Kapitalismusbefürworter
Das Gegenstück zu den christlichen Sozialisten sind die skeptischen Kapitalismusbefürworter. Unter radikalen Verfechtern des Kapitalismus gibt es selbstverständlich auch Vertreter atheistischer und agnostischer Einstellungen. Diese sehen natürlich auch das Christentum kritisch. Exemplarisch hierfür sollen an dieser Stelle Aussagen von Ayn Rand und Ludwig von Mises diskutiert werden.
Ayn Rand war die Gründerin der extrem prokapitalistischen Philosophie des Objektivismus. Die fundamentale Aussage dieser Denkrichtung ist, »dass die Realität unabhängig vom Bewusstsein existiert; dass individuelle Menschen über Sinneswahrnehmungen mit dieser Realität in Verbindung treten; dass Menschen über die Wahrnehmung und durch den Prozess der Begriffsbildung objektives Wissen erlangen können; dass der angemessene moralische Zweck des menschlichen Lebens das Streben nach dem eigenen Glück oder das âºrationale Eigeninteresseâ¹ ist; dass der vollständige Respekt vor den Individualrechten, verkörpert im reinen, einvernehmlichen Laisser-faire-Kapitalismus, das einzige Gesellschaftssystem ist, das mit dieser Moral übereinstimmt [...]«250. Rand selbst hat ihr Gedankengebäude einmal folgendermaÃen zusammengefasst: »Meine Philosophie ist im Wesentlichen die Vorstellung vom Menschen als heroischem Wesen, dessen moralischer Lebenszweck das eigene Glück ist, dessen edelste Aktivität die produktive Leistung ist, und dessen absoluter Imperativ die Vernunft ist.«251
Das Gegenteil der angewandten Vernunft bezeichnet Rand als Mystizismus, der für sie »die Akzeptanz von Behauptungen ohne Belege oder Beweise [ist], entweder unabhängig von oder gegen die Beweise der Sinne und des Verstandes. Mystizismus ist die Behauptung, dass es eine nicht-sensorische, nichtrationale, nichtdefinierbare, nichtidentifizierbare Möglichkeit des Wissens gibt, wie beispielsweise âºInstinktâ¹, âºIntuitionâ¹, âºOffenbarungâ¹ oder âºirgendeine Artâ¹, irgendwie zu wissen«252. Obwohl dies in manchen Fällen zutreffen mag, ist dies nicht die Form von Mystizismus, die mit der weiter oben erwähnten, von M. Scott Peck definierten vierten Stufe der Spiritualität übereinstimmt. Ein Mystiker im Peckâschen Sinne akzeptiert lediglich, dass es gewisse Dinge gibt, die für Menschen unmöglich mit dem Verstand zu entschlüsseln sind, die es aber dennoch geben muss. Der Ursprung des Universums ist ein Beispiel dafür. Der Ursprung eines Gedankens ist ein weiteres.
Der Philosoph und Objektivist Tibor Machan hält Rands Standpunkt zum Thema Spiritualität und mystische Erlebnisse für unausgereift: »Mystische Erlebnisse [...] sind bezeugt worden, und wenn man nicht willens ist, die Berichte als komplette Fantasiegespinste abzutun, muss etwas in Betracht gezogen werden, auf das hier Bezug genommen wird. Rand scheint die Idee mit Arroganz abzuweisen statt mit vorsichtiger Aufgeschlossenheit.«253 Mystiker leugnen nicht die Existenz einer objektiven, natürlichen Realität, sie sehen sie jedoch in eine übernatürliche Realität eingebettet. Letztere ist aber keinesfalls unerforschbar. »Der reife spirituelle Mensch ist weniger jemand, der sich an Dogmen festklammert, sondern der, ganz genau wie jeder Naturwissenschaftler, mehr ein Entdecker ist, [...] so etwas wie einen vollendeten Glauben gibt es nicht. Realität, wie Gott, ist etwas, dem wir uns nur nähern können.«254 Der Satz von Thomas Alva Edison, dem Erfinder der Glühbirne, dass wir »nicht einmal ein Millionstel Prozent von irgendetwas wissen«255, gilt nicht nur für die beobachtbare Natur.
Rand hat sich selbstverständlich auch konkret mit dem Christentum auseinandergesetzt: In den Lehren Jesu befinde sich »ein groÃer, grundlegender Widerspruch. Jesus war einer der ersten groÃen Lehrer, die die grundlegenden Prinzipien des Individualismus verkündeten â die Heiligkeit der menschlichen Seele
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