Jennifers dunkles Geheimnis by Michael Kessler
Autor:Michael Kessler [Kessler, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-01T23:00:00+00:00
18. Katerstimmung
Lucas war schon wach, blieb aber im Bett und blätterte interessiert in seinem Märchenbuch. Jenny öffnete langsam ihre Augen. Der Platz an ihrer Seite war leer. Thomas war nicht da. Grelles Sonnenlicht drang durch die Fenster. Es war schon 10:00 Uhr. Bei jeder unachtsamen Bewegung ihres Kopfes drohte der sofort zu zerspringen. Sie kniff ihre Augen etwas zusammen, da es momentan einfach viel zu hell für sie war. Ihr Schädel brummte und schmerzte entsetzlich. So gemein fühlte sich also ein ausgewachsener Kater an. Sie überlegte, ob sie überhaupt aufstehen sollte. Durch die halb geöffnete Tür sah sie, dass der Tisch bereits gedeckt war. In ihren Gedanken versuchte sie den gestrigen Abend irgendwie Revue passieren zu lassen. Besonders viel bekam sie leider nicht mehr zusammen. Sie war verlobt, soviel war klar. Sie hatte ein neues Abendkleid an. Wo war es? Sie betrachtete ihren Körper und stellte fest, dass sie im Augenblick gar nichts an hatte. An die vielen Glückwünsche konnte sie sich auch noch erinnern. Und an Thomas Mutter – irgendwie - mehr war nicht. Der Rest war verschollen - auf nimmer Wiedersehen! Sie wollte überprüfen, ob ihr Kleiner schon wach war. Ob er vielleicht wusste, wo Thomas war. Mit leiser Stimme fragte sie: „Lucas? Lucas bist du schon wach?“ Sie kniff wieder verkrampft die Augen zu, weil ihre eigene Stimme sich urplötzlich als hundsgemeines Folterwerkzeug entpuppte, das ihren grässlichen Kopfschmerz noch mehr verstärkte. Aus dem Nebenzimmer rief er lauthals, weil er sie nicht sehen konnte: „Ja Mama! Lucas ist wach. Gib`s was zu essen?“
„Oh Gott, Lucas! Bitte nicht so laut! Mami hat furchtbare Kopfschmerzen.“, sagte sie, wobei sie ihre Hände an ihre Schläfen führte und diese mit den Fingern leicht massierte. Er schrie wieder: „Alles klar, Mama.“ Jenny verschwand eilig unter der schützenden Bettdecke und hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu, wie sie es von ihrem kleinen Sohn gelernt hatte, der das auch manchmal machte, wenn sie etwas von ihm wollte. Selbstschutz war heute oberstes Gebot. Den ganzen Tag im Bett zu verbringen, wäre zwar irgendwie schön, war aber natürlich keine Lösung. Das war ihr selbst in ihrem bedauernswerten Zustand klar. Außerdem war das Wochenende vorbei. Sie mussten sowieso zurück - schade eigentlich, wie sie fand. Jenny grübelte, wieso hatte sie nichts an? Ihr seidiges Nachthemd lag doch griffbereit in ihrem Bett. Wie war sie überhaupt hierher gelangt? Hatte sie sich wohlmöglich komplett daneben benommen? Dass sie wohl gestern Abend stockbesoffen war, war ihr nicht ganz entgangen. Hatten sie vielleicht noch Geschlechtsverkehr? Die Möglichkeit schied wohl komplett aus. Niemals würde sich ihr Thomas über eine willenlose Komapatientin hermachen. Wahrscheinlich hätte sie ihn dabei noch übel vollgekotzt - also nicht! Könnte sie sich überhaupt vor die Tür trauen? Was würden seine Eltern sagen? In ihrem schmerzenden Köpfchen ackerten die Gedanken, ohne auch nur ansatzweise etwas Vernünftiges zu Tage zu fördern. Vorsichtig streckte sie einen Fuß aus dem Bett. Der zweite machte sich auch gleich auf den Weg. Mühevoll schob sie die Bettdecke beiseite und richtete sich langsam auf.
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