Jeder by Thomas Seidl

Autor:Thomas Seidl
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-06-23T22:00:00+00:00

Überwachung

Sarah hatte versucht, ihren Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass Johns Verschwinden mit den Verbrechen an den Frauen zusammenhing. Doch dieser wollte nichts davon hören, denn sie hatten gerade auf der Farm genug zu tun. Immerhin gab es zwei Leichen an einem Tag und außerdem das Geständnis von Julian Seber. Sie hatten also ihren Täter schon, und ihr Vorgesetzter tat das Verschwinden von John als Bagatelle ab. Sarah verstand das Verhalten ihres direkten Vorgesetzten immer weniger. Sie war wütend und enttäuscht zugleich.

Nachdem also alles nichts genutzt hatte, verbrachte sie anschließend zwei Tage damit, die restlichen Eltern der verschwundenen Mädchen zu befragen. Außerdem hatte sie sich nochmals alle Akten vorgenommen, und ein paar Details fielen ihr dabei ins Auge. Doch es gab keine wirklich neuen Spuren. Im Grunde sagten die Eltern alle das Gleiche aus. Sie konnten sich nicht erklären, warum ihre Töchter davongelaufen sein sollten. Die Abschiedsbriefe ergaben alle keinen Sinn. Auch gab es keinen direkten Zusammenhang zwischen den einzelnen Verschwundenen. Sie kamen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und waren auch nicht miteinander befreundet. Die Auswahl war also willkürlich. Morgen sollte nun Julian Seber schon aus dem Krankenhaus entlassen und in ein Londoner Gefängnis überstellt werden. Sarah lief die Zeit davon und sie hatte noch immer nichts von John gehört. Er war definitiv zuletzt bei der Villa der Sterlings gewesen, denn er hatte keine weiteren Eltern befragt.

Sarah durchquerte das Büro und suchte Constable Bill Storage auf. „Hallo, Bill, wie sieht es aus? Haben wir das Ergebnis des Nagels schon bekommen?“

„Sarah, mein Schatz. Ja, ist gerade angekommen. Hier.“

„Danke, Bill.“ Sarah öffnete den Umschlag. Als sie den Befund las, begann sie am ganzen Körper zu zittern. Das Blut auf dem Nagel stammte von Susan Sterling. Es war eine 99,999 % Übereinstimmung der DNA. Woher hatte John diesen Nagel? Da fielen ihr wieder James Sterling und seine dreckbehafteten Schuhe ein. Wenn jemand John beseitigt hatte, würde er ihn wohl in einem Wald verscharrt haben. Das schien ihr schlüssig. Ihrem Vorgesetzten berichtete sie erstmals nichts davon, denn er würde es wieder als Nichtigkeit abtun und sie vielleicht sogar von diesem Fall abziehen. Dann könnte sie gar nicht mehr ermitteln.

Sarah verließ die Polizeistation und stieg in ihren privaten Opel Zafira ein, den sie jeden Morgen hinter dem Polizeirevier abstellte. Mit ihm fuhr sie zur Villa der Sterlings und blieb ungefähr hundert Meter vor deren Einfahrt stehen. Dann holte sie ihr Smartphone aus der Tasche und suchte im Internet nach der Telefonnummer der Sterlings. Diese war nicht geheim und leicht zu finden. Sie wählte die Nummer und wartete.

„Guten Tag, hier spricht Ernest Hatcher, der Butler der Familie Sterling. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Guten Tag, mein Name ist Police Sergeant Sarah Brown. Könnte ich bitte mit Mr. James Sterling sprechen?“

„Tut mir leid. Er will heute nicht gestört werden. Kann ich Ihnen behilflich sein oder wollen Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?“

„Nein, danke. Ist jemand anderer der Familie anwesend?“

„Das muss ich leider auch verneinen. Mrs. und Mr. Sterling werden erst gegen Abend wieder erwartet.“

„Danke, dann werde ich es morgen noch einmal probieren. Auf Wiederhören.

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