Jedem das Seine by Nataly von Eschstruth

Jedem das Seine by Nataly von Eschstruth

Autor:Nataly von Eschstruth [Eschstruth, Nataly von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-07T00:00:00+00:00


XXI.

Iris empfindet noch mehr Bedauern.

„O Sie Arme, dürfen Sie denn selbst mit Damen nicht sprechen und verkehren?“

Das junge Mädchen wird blutrot.

„O doch ... das wohl, ... aber ... aber ...“, sie hat es in ratloser Verlegenheit gestottert, jetzt bricht sie voll Schreck ab, und starrt geradeaus auf Missis Porth, die ihr mit allen Zeichen grosser, zorniger Erregung entgegenstürmt.

Mit einem Blick tiefster Verachtung misst die sehr geputzte Engländerin Fräulein Waldstetten vom Scheitel bis zur Sohle, so masslos beleidigend, dass Iris sie ganz verständnislos anstarrt, dann fasst sie die bebende Erzieherin am Arm und zieht sie so auffällig wie möglich von der Fremden fort.

„Was unterstehen Sie sich, Fräulein? Wollen Sie auf der Stelle Ihre Kündigung erhalten? Sie sollten doch wissen, dass diese ... diese Dame —“ wieder ein vernichtender Blick auf Iris — „kein Umgang für Sie ist!“ —

Tränen der Angst und Scham rollen über die blassen Wangen der Gemassregelten, sie eilt so hastig wie möglich davon, um hinter der Kajütentreppe zu verschwinden, Missis Porth aber wirft das Haupt mit ironisch zugekniffenen Augen in den Nacken, rafft mit kurzem Griff die rauschenden Seidenröcke zusammen und geht, ohne eine weitere Erklärung für ihr Benehmen, davon.

Alles Blut ist aus Iris’ Wangen gewichen. Sie hat plötzlich das Gefühl, als wanke der Boden unter ihren Füssen.

Langsam lässt sie sich auf einen der Klappstühle, die in grosser Anzahl auf Deck herumstehen, nieder.

Ihre Hände verschlingen sich im Schoss, sie starrt mit weit offenen Augen auf das flimmernde Meer, über dem Mövenschwingen blitzen.

Freiheit! —

Ist das wahrlich die Freiheit und Gleichberechtigung, die die studierende, selbständig arbeitende Frau heutzutage anstrebt?

Ist das wahrlich Freiheit, die die unglückselige Lehrerin hier im Kreise ihrer Peiniger geniesst? Nein, eine brutalere, mehr erniedrigende Sklaverei kennt selbst der rücksichtsloseste orientalische Despotismus nicht! —

Und welch ideale Ansichten hegte sie stets von der Stellung einer Erzieherin!

Hat sie nicht selber noch für Fräulein Link gesorgt, ehe der Hausstand ihres Vaters aufgelöst wurde? Hat sie nicht den Platz, den Rupert ihr in seiner Badener Villa eingeräumt, voll fürsorglicher Güte der alten Lehrerin eingeräumt und Bärbel das so gern gegebene Versprechen abgenommen, auch ferner für die Kranke zu sorgen?

In welch einen Abgrund infamer Herzlosigkeit aber muss sie hier sehen! —

Sie hat nie zuvor andere Gouvernanten ausser Fräulein Link kennen gelernt, sollte Marken wirklich recht haben, wenn er sagt, die Durchschnittsstellung dieser jungen Damen sei nicht beneidenswert und alles andere, nur nicht selbständig?

Herr des Himmels, wenn auch sie ein gleiches Los erwartet!

Iris fröstelt bei dem Gedanken.

Arm, hilflos — der Willkür anderer preisgegeben, ohne Schutz und Schirm ... wie soll jene arme junge Engländerin jemals wieder den Weg in die Heimat zurückfinden?

Und sie selbst? wie findet sie ihn? —

Ein tiefer Atemzug hebt ihre Brust.

Sie verfügt gottlob über einige Mittel — und wenn man sie als Gefangene hielte und ihr die Möglichkeit der Heimreise in der indischen Wildnis abschnitte — nun, so ist ja noch Marken in der Nähe, der sie gewiss nicht im Stich lassen wird! —

Wunderlich! Wenn man ihr vor wenig Wochen gesagt hätte, dass der Gedanke an die Hilfe eines Mannes ihr Herz ruhiger schlagen liesse! —

Nein, nein! — sie ist nervös, — aufgeregt .



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