Jan Weiler Antonio im Wunderland by Weiler Jan

Jan Weiler Antonio im Wunderland by Weiler Jan

Autor:Weiler, Jan [Weiler, Jan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-01-09T20:42:01+00:00


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NINE

Wenn man sich in einem Flughafen befindet, ist es egal, wo der steht, denn Flughäfen sind auf der ganzen Welt gleich. Es sind künstliche Städte mit asphaltiertem Land drum herum, geschlossene Systeme, in denen nach immergleichen Gesetzen dieselben Schilder dieselbe Bedeutung haben. Auch der Blick aus den Fenstern ist derselbe und richtet sich auf parkende Flugzeuge, die ebenfalls überall gleich aussehen. Wenn man auf einem Flughafen ist, ist es egal, wo der steht. Flughäfen sind nirgendwo.

Als das Fliegen noch ein Abenteuer oder zumindest au-

ßergewöhnlich war, galten auch die Flughäfen als mythische Orte. Aber inzwischen ist das Flugwesen globalisiert, es gibt überall Kaffee aus derselben Pipeline und in den Duty-Free-Shops keine Zigaretten mehr, die man nicht zu Hause schon einmal gesehen hätte.

Das hat auch sein Gutes, denn es nimmt mir die Angst. Ich muss mich in Tokio oder in Stockholm oder in Dubai nicht allzu fremd fühlen, weil ich gelernt habe, wie so ein Flughafen organisiert ist. Es ist wie in einer vertrauten Wohnung: Man weiß, wo alles steht. Dasselbe kann ich von der Innenstadt von Kairo oder Lissabon nicht sagen. Flughäfen sind daher für mich ideale Aufenthaltsorte im Ausland. Erst wenn ich meinen Koffer habe und aus dem Schutz des Flughafens her-austrete, überkommt mich die Fürcht vor der Fremde. Aber bis dahin ist noch Zeit.

Benno und Antonio sitzen bereits am Abfluggate und un-134

terhalten sich in einer Phantasiesprache. Womöglich ist das eine von Bennos Englischlektionen. Mir wird langweilig, also mache ich mich auf den Weg, einen kleinen Espresso zu trinken, was heutzutage in Flughäfen und insbesondere auf Bahnhöfen in Deutschland nicht mehr schwierig ist. Alle naselang gibt es bei uns irgendetwas zu essen. Es kommt einem vor, als würde damit ein eklatanter Missstand behoben.

Außerirdische, die eines Tages bei uns landen, wenn wir alle weg und die Luft rein ist, werden den Eindruck gewinnen, dass in Mitteleuropa eine schwere Hungersnot grassierte und man deswegen alles Menschenmögliche unternommen hat, um die Versorgung mit Lebensmitteln zu garantieren. Die Außerirdischen werden das am Unterschied zu afrikanischen Ländern festmachen, wo nicht überall Sandwich- und Bagel- und Crepesbuden herumstehen. Dort müssen alle unge-mein satt gewesen sein, werden die außerirdischen Forscher schlussfolgern.

Ich finde eine Kaffeetheke, lasse mich auf einem Barhocker nieder und bestelle einen doppelten Espresso-Macchiato. Vor einer halben Stunde habe ich einen ersten Vorgeschmack auf die Reise mit meinem Schwiegervater und seinem Busen-freund bekommen. Antonio hatte mir feierlich mein Ticket überreicht und mich links und rechts auf die Wange geküsst.

Dann standen wir am Security check. Benno zog brav seine Jacke aus und ging hindurch. Es piepste. Er wurde wieder zurückgeschickt und zog seinen Gürtel aus. Es piepste immer noch. Er kehrte nochmals um und entledigte sich seines Kleingelds, seiner Brille, seiner Schuhe, seines Feuerzeugs und einer Anzahl von Kleinstgegenständen aus seiner Hosentasche.

Hinter uns wurden eilige Fluggäste nervös. Er ging abermals durch das Tor, und es piepste.

Ein Herr mit einem Metalldetektor machte sich daran, 135

ihn zu untersuchen. Da sagte Benno: «Die Bombe is eh im Koffer.»

Das sollte man nie tun. Niemals. Augenblicklich ließ der Detektormann von Benno ab und winkte einen Kollegen herbei.



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