Jahre mit Ledig • Eine Erinnerung by Fritz J. Raddatz
Autor:Fritz J. Raddatz [Raddatz, Fritz J.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644047310
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2016-10-02T16:00:00+00:00
Umschlag der bereits gesetzten, dann aber nicht veröffentlichten Ausgabe von Rolf Hochhuths ‹Stellvertreter› im Verlag Rütten & Loening
Die Ausnahme bestand darin, dass im selten vorkommenden Fall eines deutschen Theaterautors alle Gutachten mir vorzulegen waren, ganz so, wie es im Buchverlag gehandhabt wurde. Das war kein Gesetz, aber Usus: Sämtliche Beurteilungen, ob vom faulen Rühmkorf, vom temperamentvollen Jürgen Becker, vom vertrackten Bernt Richter (der später die Manuskripte Robert Havemanns in der Unterhose aus der DDR herausschmuggelte), gingen an mich, weshalb ich nun also die vernichtende Expertise über den ‹Stellvertreter› las.
Als ich auch noch von der Intervention Reinhard Mohns erfuhr, ging ich ins weit hinten im Gebäude gelegene Büro von Klaus Juncker, wo der Fahnensatz bereits im Papierkorb beerdigt war. Herausfischen, über Nacht lesen, folgenden Tags Ledig zur wenn auch kursorischen Lektüre zwingen: Verlagsgalopp. Der Hürdenlauf endete mit Ledigs Blitzentscheidung: «Selbstverständlich drucken wir das, das bringe ich persönlich auf die Bühne – BB, verbinden Sie mich mit Piscator in Berlin!»
BB verband aber erst einmal mit einem sehr anderen Herrscher über eine sehr andere Bühne. «Auf der zweiten Leitung ist Herr Beitz von Krupp für Sie.» Sofort gab Ledig mir den zweiten, den Mit-Hörer. So wurde ich Ohrenzeuge eines wohl historischen Telefongesprächs. Beitz erkundigte sich zuerst so gewitzt wie höflich, ob er mit «Herrn Rowohlt» spreche; dann wurde es energisch. Ihm lägen Druckfahnen eines abscheulichen und unzumutbaren Buches vor; woher er die habe, ob aus der Bertelsmann-Setzerei, aus dem Verlag Rütten & Loening, mochte er auf Rückfrage nicht beantworten – es gibt ja überall auf der Welt kleine «Ich-weiß-was»-Hintermänner. Doch Beitz’ eigene Fragen waren präzise und nicht mehr ganz so höflich, eher im Ton eines kommandogewohnten Tycoons. Ob Herr Rowohlt diese Infamie überhaupt kenne, den Text gelesen habe. Ob er allen Ernstes beabsichtige, das zu veröffentlichen. Ledig war von jener Liebenswürdigkeit, mit der er verzuckerte Rasierklingen hätte servieren können. Ja, er kenne das Stück, ja, er pflege die Bücher zu lesen, die er verlegen wolle, ja, er habe auch die Hinweise zu Krupp-Verwicklungen in Auschwitz nicht übersehen … Das Stück war noch längst nicht aufgeführt, aber die Dialoge zum Stück wurden schärfer und verliefen etwa so:
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