Jagt das rote Geister-Auto! by Wolf Stefan

Jagt das rote Geister-Auto! by Wolf Stefan

Autor:Wolf, Stefan [Wolf, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


14. Ein offener Tresor

Es war mittlerer Nachmittag — also nicht die schlechteste Zeit des Tages als Oberbuchhalter Paul Rode von einem Termin in der Stadt zurückkam — zurück in die Firma Bruchseidl u. Co.

Rode — dessen gelbes Gesicht jetzt noch gelber wirkte durch den dunkelgrünen Trench, den er trug — parkte seinen Wagen und schlurfte zu dem neunstöckigen Verwaltungsgebäude.

Dabei sah Rode den Typ.

Überhaupt: Nur zweimal in seinem Leben sollte der Oberbuchhalter seiner ansichtig werden.

Das erste Mal also jetzt.

Der Typ war jung, hatte lange rote Haare und einen abweisend-feindseligen Ausdruck auf dem — nicht unüblen — Gesicht.

In den Augen tanzten Irrlichter.

Hm, dachte Rode, der wirkt wie ein berufsmäßiger Demonstrant.

Leo Zeckel — denn um ihn handelte es sich — stand in der Einfahrt des firmeneigenen Parkplatzes und starrte das Gebäude an wie das achte Weltwunder.

Hm, dachte Rode wieder. Der überlegt sicherlich, ob das ein Fertighaus ist. Wenn schon! Soll er doch fragen!

Dann vergaß Rode den rothaarigen Typ und schaltete seine Schritte auf schnell und wichtig, wobei er dem Portier zunickte.

Rode fuhr hinauf in die Neunte — wie die Chefetage bei den Angestellten hieß.

Dort summte die Luft vor Betriebsamkeit.

Alle Telefonleitungen waren besetzt. Alle Schreibmaschinen klapperten. Lieferungen wurden ausgemacht, Termine gebucht, Aufträge angenommen.

Rode begab sich in seine Oberbuchhalterei, dachte kurz an die fünf Erpresserbriefe sowie — mit gelindem Entsetzen im Bauch — an die Kollegen Hagen und Frey, über deren fürchterliche Verfehlungen er inzwischen informiert war.

Nebenbei widmete er sich auch seiner Arbeit; und so wurde es 18 Uhr.

Er legte den Bleistift weg.

Zurückgelehnt saß der Oberbuchhalter am Schreibtisch und horchte auf die Geräusche im Flur.

Jetzt war Schluß mit der Betriebsamkeit.

Schritte trappelten. Stimmen schwirrten und entfernten sich in Richtung Lift.

Rode trat auf den Flur.

Gähnende Leere. Der Lift fuhr hinunter.

Die Tür zu Freys Vorzimmer stand offen.

Marga Heinze war noch da.

Rode spürte es, obwohl er sie nicht hörte.

Mit schnellen, wichtigen Schritten ging er hinüber.

„Sie verpassen den Anschluß, Verehrteste“, er grinste über die Schwelle.

Marga schloß soeben ihren Schreibtisch. Der Mantel hing über der Stuhllehne.

„So eilig habe ich’s nicht.“ Sie lächelte zurück. „Eben konnte ich mit dem Stationsarzt im Irmina-Krankenhaus sprechen. Hagen ist bei Bewußtsein. Er hat eine schwere Gehirnerschütterung, aber keinen Schädelbruch. Das Schienbein muß genagelt werden.“

„Ziemlich harte Strafe für seine Erpressung.“

Marga atmete erschöpft. „Wenn es ruchbar wird, daß Dr. Frey ihn umbringen wollte... Auch das schadet dem Ruf unserer Firma.“

Rode furchte die Stirn. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber Sie haben recht. Wo erpreßt und gemordet wird, würde ich mein Fertighaus nur ungern bestellen.“

„Machen Sie wieder Überstunden?“

„Nur eine kleine. Doch erst brauche ich Zigaretten.“

Er hatte vergebens seine Taschen abgesucht, nur ein leeres Päckchen zu Tage gefördert.

Daß Rode abends länger blieb, hatte sich längst eingebürgert.

Zigaretten!

Als er durch den Flur zu der Kaffeeküche ging, wo der Automat für glimmende Sargnägel angebracht war, kam Oberbuchhalter Rode an dem Tresorraum vorbei.

Die Tür stand offen.

Döbl, dieser Esel! Der vergaß jetzt wirklich alles. Seine Frau bekam ein Kind, und Buchhalter Döbl spielte verrückt. Ein unzuverlässiger Mensch! Besonders in der zweiten Tageshälfte konnte man...

Rodes Schritt stockte.

Der Atem auch.

Der Oberbuchhalter hatte schon die Hand ausgestreckt, um die Tür zu schließen, als sein Blick auf den Geldschrank fiel.



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