Jüdisches Leben in Wort und Bild : Miniaturen by Leopold von Sacher-Masoch

Jüdisches Leben in Wort und Bild : Miniaturen by Leopold von Sacher-Masoch

Autor:Leopold von Sacher-Masoch [Sacher-Masoch, Leopold von]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählungen
Herausgeber: Bensheimer
veröffentlicht: 1891-12-31T23:00:00+00:00


Nachdem eine Viertelstunde verstrichen war, hoben die Männer den Toden auf und legten ihn mitten in die Stube auf den Boden. Die Arme lagen straff zu beiden. Seiten, und die geballten Fäuste bildeten ein hebräisches Sch – Schadai.

Nachdem ein Leintuch über die Leiche gebreitet war und das Lämpchen zu Häupten derselben angezündet, wurde das Fenster geöffnet. Die Seele zog in ihre Heimath.

Im Hause war es stille und stille draussen unter dem Abendhimmel, an dem sich die ersten Sterne zeigten.

* * *

An dem Tage, wo man Menachem begrub, waren alle Läden geschlossen, Niemand blieb zu Hause, alle gaben ihm das Geleite, alle.

Schon lag er im Leichenhemd, im Talar mit den Schaufäden, die weisse Kappe auf dem Kopf, auf dem Brett.

Einer nach dem andern trat heran, berührte die grosse Zehe des Todten und bat ihn leise um Vergebung.

Dann stimmten die Männer das herzzerreissende »Joschef bessesser«, das Geleitgebet an.

Die schluchzenden Frauen hielt man ferne, um die Ruhe des Toden nicht zu stören und langsam trug man die Leiche auf dem Brett hinaus, mit den Füssen voran.

Auf dem Friedhof angelangt, bildeten alle, die dem Todten gefolgt waren, einen Kreis um das Grab, das man ihm neben dem seines Sohnes gegraben hatte.

Die Wenigen, welche entfernt mit ihm verwandt waren, traten vor und sprachen: »Gott hat es gegeben, Gott hat es genommen, der Name Gottes sei gelobt!«

Dann zerrissen sie ihr Gewand an der linken Seite.

Nun trat der Rabbiner an den Toden heran und sprach: »Wir gedenken, Gott, vor Dir, des geschiedenen Menachem Ben Joseph und beten für das Heil seiner Seele. Nimm ihn auf, lass’ seine Seele einziehen zur ewigen Ruhe, zur ewigen Freude, zur ewigen Seligkeit, lass’ ihn theilhaftig werden der Segnungen, die Du den Frommen und Gerechten verheissen hast, als Lohn für alles irdische Leid, für all’ ihre Sorgen, ihr Ringen und Mühen dahier. Der Allerbarmende vergibt. Ja, Menachem, Du bist schon im Lichte und wir sind noch in der Finsterniss. Du bist in der Wahrheit und wir sind noch im Irrthum, Du bist im Frieden und wir im Kampfe und in der Zerstörung.

Er schien eine Bildsäule, in seinem langen, weissen Gewände. (Von Worms.)



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