Intermezzo by Sally Rooney

Autor:Sally Rooney [Rooney, Sally]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783843732390
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2024-09-27T00:00:00+00:00

* * *

Am nächsten Morgen ist sie bei ihren Vorlesungen, und er sitzt allein am Esstisch und beantwortet E-Mails. Regen fließt in Rinnsalen am Fenster hinab, er hört, wie er oben auf die Dachziegel prasselt. Bitte entschuldigen Sie meine späte Antwort. Ich antworte Ihnen verspätet, bitte entschuldigen Sie. Es tut mir leid, ich sehe Ihre Nachricht erst jetzt. Neben ihm klingelt das Telefon, er wirft einen Blick darauf: schon wieder Christine. Er schaut auf den Bildschirm des Laptops, zögert, nimmt dann das Gespräch an. Hallo, sagt er. Ich muss gerade etwas erledigen, kann ich dich zurückrufen?

Wann habe ich das schon mal gehört, sagt seine Mutter.

Was?

Am Wochenende hast du mir gesagt, du würdest zurückrufen.

Oh, sagt er. Stimmt, tut mir leid. Geht’s um etwas Bestimmtes?

Mit freundlicher Stimme antwortet sie: Ich wollte mich nur mal melden. Wenn es dir ein andermal besser passt, fein.

Ein Gefühl der Scham, verlegen, frustriert. Schiebt den Stuhl vom Tisch zurück. Nein, sagt er. Jetzt passt es, ich habe nur E-Mails gecheckt.

Wie geht es dir?

Gut, danke.

Gibt’s was Neues?, fragt sie. Was macht die Arbeit?

Unwillig schaut er auf den noch erleuchteten Bildschirm seines Laptops, die unbeendete E-Mail. Alles gut, sagt er. Viel los.

Schöner Artikel heute in der Zeitung über deinen Fall.

Jetzt lenkt er ein und klappt den Laptop zu. Ach ja, sagt er ins Telefon. Die Verhandlung war im Juli, ich habe keine Ahnung, warum es so lange gedauert hat.

Gott bewahre, dass irgendjemand im Büro ein bisschen schick aussieht, sagt sie. Als Nächstes zwingst du uns alle, graue Overalls anzuziehen.

Meine Lebensaufgabe, wie du weißt.

Komisch, dass deine Freundinnen immer so gut gekleidet sind.

Er merkt, wie er widerwillig lächelt. Was sie ganz aus freiem Willen tun, ja, antwortet er. Aber es gibt keine Wiederaufnahme, Christine. Ich fürchte, du wirst feststellen, dass die Gerichte auf meiner Seite sind.

Sie lacht in den Hörer. Kleiner Frechdachs, sagt sie. Wie geht es deinen Freundinnen?

Wen meinst du?

Wie viele hast du denn?

Er zögert kurz. Du meinst, Frauen, mit denen ich befreundet bin?, fragt er. Einige.

Verstehe, antwortet sie. Also, in dem Fall, wie geht es Sylvia?

Jetzt zurückhaltender, antwortet er mit kühler Stimme: Es geht ihr gut, danke.

Ich habe letztens Denise Lanigan in der Stadt getroffen, sie hat mich gefragt, ob du eine neue Freundin hast. Nachdem sie euch beide auf der Beerdigung gesehen hat. Ich habe ihr gesagt, nein, nein, sie ist nur eine gute Freundin.

Einen Moment lang Stille. Schließlich antwortet er: Genau.

Ich finde es schön, dass ihr euch noch so nahesteht.

Er reibt sich die Augenbrauen mit den Fingerspitzen und antwortet nicht, und sie schweigt ebenfalls. Drei Sekunden, vier, fünf.

Bist du noch dran?, fragt Christine.

Er räuspert sich, um zu antworten: Ja, ich hatte dem nur nichts hinzuzufügen.

Habe ich was Falsches gesagt?

Nein.

Jedes Mal dasselbe Ritual, denkt er. Sie versucht, ihm irgendeine wertvolle schmerzliche Information abzuringen, und er versucht, jeden Aspekt seines Lebens vor ihr zu verbergen, bei dem sie einen Fuß auf den Boden kriegen könnte. Ihre scheinbar unverfänglichen Fragen und seine einstudierten Ausweichmanöver. Wenn Naomi zu Hause ist, geht er nie ran, wenn sie anruft. Warum will seine Mutter das alles wissen; warum will er nicht, dass sie es weiß.

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